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Vortrag: Die elektronische Gabe
Rubrik Wissenschaft
Veranstaltungsdaten: 20. Mai / 16:00 / 2 Std. / Track B / Raum 3D / deutsch
ReferentIn(nen): Wolfgang Pircher
Abstract: Joseph Schumpeter hat uns schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts darüber belehrt, dass das Geschenk keine ökonomische Kategorie sei. Für die ökonomische Theorie komme allein der Tausch in Betracht. Die ökonomische Theorie ist auf den Tausch zentriert, weil nur von ihm aus eine Erklärung der Preise möglich ist. Diese ist ein zentrales Anliegen der theoretischen Ökonomie, das sie mit allen auf dem Markt auftretenden Agenten teilt. Der monetäre Tausch ermöglicht eine Kalkülisierung, d.h. Rechenbarkeit der verschiedenen möglichen Handlungsweisen und damit deren Optimierung.

Anthropologen haben ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts die in vielen Ethnien verbreitete Gewohnheit des Gabentausches entdeckt und beschrieben. Dieser Gabentausch besteht in der Regel neben den alltäglichen Formen des Tausches von Gebrauchsgütern und ist von dieser Sphäre strikt getrennt. Marcel Mauss, dem wir den bahnbrechenden "Essais sur le don" (1925) verdanken, hat versucht vom ethnologischen Material einen Brückenschlag sowohl zur europäischen Frühgeschichte wie schließlich sogar zur zeitgenössischen Situation zustande zu bringen, dergestalt, dass die reichen Bürger Großzügigkeit gegenüber dem gemeinen Wohl zeigen sollten. Dergleichen ist in der griechischen und römischen Antike unter dem Titel des "Euergetismus" bekannt.

Neuerdings hat die Beschäftigung mit dem Problem der Gabe wieder erhöhtes anthropologisches und philosophisches Interesse gefunden, zumal der neoliberale Zug der westlichen Gesellschaften wieder auf das psychosoziale Geleise des Scrooge aus Dickens A Christmas Carol - vor der Bekehrung - einzuschwenken scheint. Jacques Derrida hat unter dem Titel "Falschgeld" eine avancierte und viel diskutierte Theorie der Gabe ("wenn sie denn möglich ist") nicht ohne politische Hintergedanken vorgelegt.

Das Referat sollte nun versuchen, diese divergierenden Ansätze unter dem Gesichtspunkt des Konferenzthemas zusammenzubringen.

 
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