Von der lokalen zur transformativen Ökonomie

Wolfgang Polatzek [renate.polatzek at t-online.de]


Grundthese: Trotz zunehmender ökonomischer Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems besteht die Chance zur Verwirklichung einer eigenständigen Ökonomie, die nicht den Prinzipien des Weltmarktes unterworfen ist.

Einleitung

Nach dem Ende des Realsozialismus hatte es eine Phase der Resignation bezüglich der Chancen einer Veränderung bzw. der Überwindung der kapitalistischen Weltwirtschaft geben. Die Resignation vieler Altlinken ist in einen Zynismus umgekippt oder aus den Altlinken werden neue Rechte wie Horst Mahler. Die kapitalistische Weltordnung hat in ihrer Auswirkungen sowohl den lange friedlich schlummernden deutschen Mittelstand wie auch die Einwohner ostsibirischer Siedlungen erreicht. Das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinen Marktgesetze ist der neue Gott, der entweder hymnisch gepriesen, teilweise verflucht wird oder meist resignierend zur Kenntnis genommen wird.

Noch ist der Widerstand in Deutschland gegen die herrschende Wirtschaftsordnung zaghaft. Seit Attac auch in Deutschland arbeitet, entsteht langsam eine neue ökonomische Bewegung. Diese Bewegung ist sehr uneinheitlich und deshalb schwer zu überschauen. Es gibt bisher keine Arbeitsgemeinschaft oder auch nur einen Informationsdienst, der alle Facetten der neuen ökonomischen Bewegung berücksichtigt. Ich werde mich auf einen Teilaspekt der neuen ökonomischen Bewegung beschränken.

Projekte und Institutionen der alternativen und lokalen Ökonomie

  1. Selbstverwaltete Betriebe mit den üblichen Rechtsformen (GbR, GmbH)
  2. Betriebe mit besonderer Rechtsform (z.B. Produktionsgenossenschaften)
  3. Betriebe mit bewusster ökologischer und/oder sozialverträglicher Produktion
  4. Sozialbetriebe von gemeinnützigen Organisationen (Diakonisches Werk, Caritas) und Integrations- und Behindertenwerkstätten als Gemeinnützige GmbH
  5. Konsumentenorganisationen: z.B. Konsumgenossenschaften, Erzeuger- Verbraucher-Initiativen, selbstverwaltete Dorfläden
  6. lokale Ökonomie / Stadtteilökonomie / ökonomische Selbsthilfe / gemeinwesenorientierte Ökonomie: Tauschringe, Umsonstläden, Produktentwicklungs-Initiativen, gebietsbezogene Technologie-Netzwerke, Stadtteilgenossenschaften, selbstverwaltete Energieversorgungsunternehmen, kommunale Bausparkassen, selbstverwaltete lokale Banken und Kreditvereine
  7. Regionale Geldsysteme wie z.B. der Chiemgauer, Roland Gutscheinsystem
  8. Verrechnungssysteme für Betriebe und Organisationen: gewerbliche Barterfirmen, kommunale Bartersysteme, WIR-Genossenschaft in der Schweiz, Mischsystem aus Tauschring und Barterfirmen beim Modell der Stiftung Strohalm (Liquid Capital Circuits)
  9. Gemeinschaften mit eigener Währung oder Verrechnungssystemen (Kibbuz, Diakoniezentrum Bethel mit dem Luthertaler)
  10. Zur makroökonomischen Diskussion z.B. Ota Sîk´s Modell der ökologisch-humanen Wirtschaftsdemokratie

Die Liste ist nicht vollständig und bei einigen Punkten kann man auch die Zuordnung zur alternativen bzw. lokalen Ökonomien hinterfragen. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. kommunales Barterbüro) sind alle erwähnten Projekte bzw. Betriebe kein Modell, sondern bestehen seit Jahren. Es existierten Wirtschaftsvereinigungen alternativer Betriebe (z.B. Netz NRW) Theoriearbeitskreise (AG Spak), Forschungseinrichtungen (IFP lokale Ökonomie) und Forschungsnetzwerke (Europäisches Netzwerk für ökonomische Selbsthilfe und lokale Entwicklung Berlin). Die Tauschringe haben zentrale Koordinationsgruppen und es gibt auch internationale Kontakte.

Die lokale Ökonomie befindet sich zur Zeit im Aufwind. Die neueste und einflussreichste Entwicklung ist das Regionalgeldnetzwerk. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Regionalgeldprojekte von 1 auf 40 gestiegen. Inzwischen gibt es Unterstützung von der EU, so beim Berliner Regionalgeldprojekt.

Grenzen der lokalen Ökonomie

Bisher arbeiten Projekte der lokalen Ökonomie, aber auch alle anderen schon erwähnten Einrichtungen, Stiftungen und Verbände nebeneinander. Oft wissen die Projekte nichts von einander. Zum Teil ist man auch sehr um Abgrenzung bemüht und will keinen Kontakt zu anderen Projekten haben. Alle diese Projekte und Organisationen in einer Organisation zu vereinigen halte ich unter den gegebenen Umständen für ziemlich unmöglich. Aber die Ideen aller Gruppen und Projekte könnten in eine transformative Ökonomie eingebracht werden.

Alle bisherigen theoretischen Ansätze und Projekte der lokalen Ökonomie und anderer alternativen Ökonomie mit einer einzelwirtschaftlichen Fokussierung haben versucht Defizite der kapitalistischen Produktionsweise auszugleichen.

Die innerbetrieblichen Verhältnisse verändern oder eine Verbesserung in der Region verbessert werden und es ging um die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Eine Tendenz in Richtung auf Transformation der Wirtschaftsverhältnisse stand nicht zur Debatte. Bei den gesamtwirtschaftlichen Konzepten, wie dem von Ota Sîk, ist der transformatorische Charakter offensichtlich. Sîk hat ein Konzept für eine ökologisch-humane Wirtschaftsdemokratie entwickelt. Das gesamtwirtschaftliche Modell von Sîk benötigt zu seiner Realisierung eine nationale politische Grundsatzentscheidung. Die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland lässt eine solche Umgestaltung zu. Eine Mehrheit im Bundestag für eine demokratische Wirtschaft zu erhalten, erscheint mir vorläufig nicht möglich.

Die vorläufige Chancenlosigkeit von gesamtwirtschaftlichen Konzepten hat zu meinem Konzept der transformativen Ökonomie geführt. Die Frage war für mich, wie trotz der politischen und ökonomischen Bedingungen allen Bürgern eine Option für ein anderes Leben und Arbeiten angeboten werden kann. Es sollte also eine Wahlmöglichkeit geboten werden zwischen verschiedene ökonomischen Existenzweisen bzw. Grundmodellen. Das Ziel der transformativen Ökonomie, ist ähnlich wie bei Ota Sîk, der Aufbau einer Wirtschaftsdemokratie. Solange dies nicht möglich ist, soll eine transformative Ökonomie die Option anbieten unter demokratischen Bedingen zu produzieren, konsumieren und zu leben. Wenn diese anderen "ökonomischen Lebensräume" aufgebaut werden solle, ist die Überwindung bzw. Einschränkung der Marktlogik eine zentrale Aufgabe.

Definition der transformativen Ökonomie

Die transformative Ökonomie will den Weg beschreiten von der kapitalistischen Ökonomie hin zu kleinen Regionen in denen die Marktlogik eine langsam abnehmende Bedeutung hat. Die transformative Ökonomie will "alternative Lebensräume" innerhalb eines vom der kapitalistischen Wirtschaftsordnung geprägten Staatenverbundes (EU) anbieten. Transformative Ökonomie bedeutet langsame und stetige Abkopplung von der kapitalistische Ökonomie. In wie weit sich diese partielle Umgestaltung der Wirtschaft ein Beitrag zu einer Mehrheitsentscheidung für eine nicht-kapitalistische Wirtschaftsordnung sein kann, ist nicht prognostizierbar.

Konkret bedeutetet das: Die transformative Ökonomie soll aus kleinen, selbstverwalteten, lokalen Wirtschaftsgemeinschaften bestehen. Diese lokale Wirtschaft sollte nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisiert sein. Die Zielsetzung ist dabei möglichst viele Produkte und Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft zu produzieren. Je leistungsfähiger die lokale Ökonomie ist um so unabhängiger wird sie von der "normalen" Ökonomie. Diese Wirtschaftsgemeinschaften sind "Inseln" einer anderen Ökonomie inmitten in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung.

Diese kleine Gruppen sind Kristallisationskerne für weitere Projekt und Gruppen. Wenn diese erfolgreich wirtschaften (im Sinne von Weltmarktunabhängigkeit und dem Aufbau von regionalen Märkten), dann sind sicherlich auch Bürgermeister und Gemeinderäte an solchen Experimenten interessiert.

Strukturen der transformativen Ökonomie

Die transformative Ökonomie ist ein vielgestaltiges Netzwerke von kleinen Betrieben, Siedlungen, Stadtteilgenossenschaften und Initiativen z.B. Arbeitslosengruppen. Diese unterschiedlichen Akteure arbeiten in verschiedenen Stufen zusammen. Die erste Stufe der Zusammenarbeit ist die in lokalen Gemeinschaften. In diesen lokalen Gemeinschaften wird eine gemeinsame, demokratische abgestimmte Produktion aufgebaut. Aus ökologischen Gründen und um den Koordinationsaufwand zu minimieren, wird auf der 1. Stufe eine hohe Bedarfsdeckung angestrebt. In der 2. Stufe erfolgt die Abstimmung der gemeinsamen wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region. Die Bedarfslücke wird versucht auf den weiteren Stufen der Zusammenarbeit zu schließen. In der 2. Stufe erfolgt ein weiter Austausch von Produkten und Dienstleistungen in der Regionen z.B. Landkreisen. Wird der Bedarf auf der 2. Stufe noch nicht vollständig gedeckt, wird dies auf den beiden nächsten Stufen, der nationalen und transnationale Stufe versucht.

Erst wenn der Bedarf nicht innerhalb der transformativen Ökonomie gedeckt werden kann, erfolgt die Bedarfsdeckung über den "Außenhandel".

Die "Außenhandelsbeziehungen" stellen eine besondere Herausforderung an die transformative Ökonomie dar. Ein Teiles konsumtiven Bedarfs und vor allem der wesentlichen Teil des Investitionsbedarf sowie Rohstoffe müssen aus der "normalen" Ökonomie gekauft werden. Die dafür erforderlichen "Devisen" dürften ein sehr knappes Gut sein. Mittelfristig können die Betriebe der transformative Ökonomie nur durch die Vermarktung ihrer Produkte nur unter dem Selbstkostenpreis erfolgen (Selbstausbeutung). Weiter Strategien der Devisenbeschaffung wären: Ein Teil der Mitglieder arbeitet in Teilzeit außerhalb der transformativen Ökonomie. Ein Teil der Mitglieder erhält Transferzahlungen (Renten). Einrichtungen übernehmen soziale Aufgaben oder beteiligen sich an Bildungsmaßnahmen und erhalten dadurch Transferleitungen des Staates oder der sozialen Sicherungssysteme.

Die Einbindung in Staat und Gesellschaft erfordert die Erwirtschaftung von Steuern und Sozialabgaben. Die notwendigen Mittel werden sich kurzfristig auch nur über "Devisen" zu begleichen sein. Mittelfristig könnte die zentralen Koordinationsgremien versuchen wenigsten ein Teil der Leistungen durch die Verrechnung von Dienstleistungen und Produkten zu begleichen. Als Vorbild für dieses Verfahren könnten die Regelungen beim Kirchenbartern sein.

Die Verteilung der Güter und Dienstleistungen kann über eine eigene Währung, Verrechnungssysteme oder auch ohne Vergleichsinstrument erfolgte. Wird eine Verteilung ohne Geld oder Verrechnung angestrebt so kann dies nach festgelegten Regeln (sozialen Standards) erfolgen. Diese Standards werden durch demokratische Willensbildung festgelegt. Unter diesen Bedingungen würde kein Markt und keine Warenproduktion entstehen. Wie weit sich so ein soziales Regelsystem auch für die Abwicklung des ökonomischen Austausches zwischen den Regionen eignet, wird sich zeigen.

Erfolgt der Austausch regional oder national über Regiogeld oder Verrechnungssätze so unterliegen die Preise der freien Vereinbarung. Es sollten jedoch Preisgrenzen festgelegt werden, um Selbstausbeutung und ökonomische Ungleichgewichte (terms of trade) zu vermeiden.

Die ethischen Grundlagen der transformativen Ökonomie

Die Forschung zur neuen sozialen Bewegung hat ergeben, dass die demokratisch geleiteten Betriebe und Kollektive ein hohes Maß an Idealismus und sozialem Zusammenhalt brauchen um auf Dauer überleben zu können. Eins muss klar sein: Transformative Ökonomie ist kein Allheilmittel. Sie kann nur eine Option anbieten für die Menschen, die in einer anderen Ökonomie leben und arbeiten wollen. Es darf kein Zwang sein unter diesen Bedingen zu arbeiten, sondern es kann nur die freiwillige Entscheidung sein. Wer sich gut im Kapitalismus eingerichtet hat, für den wird dies keine Alternative sein.

Zu dieser Ethik gehört es auch mit weniger Bedarf zu recht zu kommen. Dies schließt die Bereitschaft ein, in der Qualität und in der Höhe der Technologie Abstriche zu machen. Was es dann gibt ist die Existenz eines nicht-kapitalistischen Binnenmarktes und eines kapitalistischen Außenmarkt. Dieser nicht-kapitalistische Binnenmarkt wird nur überleben, wenn Zufriedenheit besteht anders wirtschaften und leben zu können und die Gelassenheit hinzunehmen, das es nicht das Neuste und Schickste sein muss.

Entscheidungsprozesse und Partizipation.

In der transformativen Ökonomie sind andere soziale Regelungsmechanismen zur Gestaltung der ökonomischen Prozesse nötig. Da die sozialen Prozesse nach demokratischen Spielregeln verlaufen sollten, ist ein Aushandlungsprozess in den einzelnen Gruppen und Projekten notwendig, falls sich nicht auf eine formale Struktur z.B. in Form einer Satzung geeinigt wird.

Die sozialen Regeln stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen einer hohen Partizipation und einer effektiven Entscheidung. Konsumentensouveränität scheint mir ein zentraler Punkt für die Entscheidungsprozesse. In kleinen ökonomischen Einheiten lässt sich auch ohne großen instrumentellen Aufwand (Marktforschung) ein Überblick hinsichtlich der Bedarfsstruktur gewinnen. In den örtlichen Strukturen muss auch die Entscheidung getroffen werden, ob Geld - also auch Regiogeld - als ein ökonomische Instrument eingesetzt werden soll. Kleine Gemeinschaften sind in der Lage ihre Verteilungsprozesse auch ohne Geld zu organisieren. Spirituelle Gemeinschaften haben diese Entscheidungsprozesse auch ohne Geld gelöst. Nicht immer ist dabei auf demokratische Verfahren zurückgegriffen worden. Wie weit die Erfahrungen dieser Gemeinschaften auch für die neuen lokalen transformatorischen Wirtschaftsgemeinschaften verwendbar sind, muss sich noch erweisen. Hier werden auch noch viele soziale Innovationen notwendig sein. Diese Innovationen können durch eine demokratische Organisationsentwicklung gefördert werden.

Im Hinblick auf die Erfahrungen der Open-Theory, könnte auch auf einem virtuellen Forum/Plenum entschieden werden.

Eine Überprüfung der Verteilungsprinzipien und ihre Anwendung sollte durch Selbstkontrollorgane der Arbeitsgemeinschaft der lokalen Wirtschaftsgemeinschaften erfolgten. Sehr schnell kann Gruppendruck, Elitebildung und ein übermäßiges Harmoniebedürfnis zu einer formalen, aber trotzdem scheindemokratischen Kultur führen. Solche Entwicklungen können die Folge haben, dass massive ökonomische und soziale Benachteiligungen entstehen können.

Keiner Gruppe sollte eine bestimmte Organisationform vorgeschrieben werden. Es ist jedoch darüber noch zu denken, ob nicht ein Mindestmaß an demokratischen Prinzipien und formalen Strukturen sinnvoll sind. Gruppen mit einer undemokratischen Binnenstruktur und menschenverachtenden oder sogar kriminellen Verhalten können eine Bewegung in ihrem Ansehen und auch ihrer Wirksamkeit sehr schaden und sogar zu ihrer Auflösung führen.

Schritte in die transformative Ökonomie

Voraussetzungen

  1. Die Bereitschaft Mitglied einer lokalen Wirtschaftsgemeinschaft zu werden. Ziel der Wirtschaftsgemeinschaft ist eine hohe Bedarf in der Gemeinschaft zu erreichende Produktion sicherzustellen, es geht also um Bedarfsdeckung als ökonomisches Ziel.
  2. Organisationen und Gruppen, aber auch Einzelpersonen treffen die ethische und praktische Entscheidung Ihren Bedarf nicht mehr über den "normalen" Markt zu decken, sondern in der transformativen Ökonomie.
  3. Diese Entscheidung bedeutet die Akzeptanz einer Organisationsethik. Deren Festlegung erfolgt durch die demokratische Willensbildung. Der Grad der Bescheidenheit und das Maß der Unabhängigkeit hängen voneinander ab. Dies belegen auch die Erfahrungen der spirituellen Gemeinschaften wie z.B. der Hutterer oder Amish-Gruppen. Ihr hohe Eigenversorgung ist nur durch ihre radikale Konsumeinschränkung möglich.

Technische Maßnahmen

  1. Tagungen, Arbeitskonferenzen zum Aufbau einer transformativen Ökonomie
  2. Erarbeiten von Konzepten, Verfahrensregeln und Abschluss von Kooperationsverträgen.
  3. Schaffung von Koordinationsgremien zur Abstimmung der wirtschaftlichen Aktivitäten mit eigenen Verrechnungssystemen / Regiogeld.
  4. Aufbau leistungsfähiger Produktionskapazitäten um eine hohe Eigenbedarfsdeckung zu erreichen.
  5. Verhandlungen über die Verrechnung von Sozialleistungen und der Aufbau einer einfachen sozialen Infrastruktur und von Bildungsstrukturen.
  6. Verhandlungen über die Verrechnung von lokalen und regionalen Leistungen in Gemeinden und Kreisen

Beispiele für Entwicklung von transformativen Netzwerken

Wenn es gelänge nur eine Landeskirche dazu zu bewegen ein kirchliches Barterbüro einzurichten, wäre ein wichtiger Eckstein gesetzt. Ein anderes Beispiel ist Mecklenburg-Vorpommern. Dort gibt es einen großen landwirtschaftlichen selbstverwalteten Betrieb. Dieser Betrieb befindet sich in dem Arbeitsamtbezirk mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der BRD. Dieser alternative Betrieb und die Gemeinde könnten eine lokale Partnerschaft gründen. Ziel der lokalen Partnerschaft sollte es sein, eine unabhängige regionale Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben. Dies wäre ein Schritt in eine transformatorische Ökonomie.

Open-Theory und transformative Ökonomie

Das referierte Konzept ist sehr pragmatisch. Die mir bisher bekannten Diskussionen in der OPT-Bewegung verlaufen auf einer sehr theoretischen Ebene. So möchte ich dafür als Beispiele die Kristallisationshypothese anführen. In der Entscheidungsfindung ist bei Open-Theory aus organisationssoziologischer Sicht nur wenig Neues festzustellen. Die Gremien und Entscheidungsstruktur von Open-Theory ist auch bei anderen Bewegungen der alternativen Kultur bzw. Ökonomie zu finden.

Ihre eigentliche Bedeutung hat die OPT-Bewegung in ihrer Grundidee:

  1. Geistiges Eigentum für alle zugänglich zu machen.
  2. Über ein elektronische Kommunikation Produkte zu entwickeln.

Diese beiden Grundelemente haben eine große Bedeutung für die Transformative Ökonomie.

  1. Das Offenlegen geistigen Eigentums würde für die transformatorische Ökonomie bedeuten, dass technische Produkte, Verfahren, Gebrauchsmuster und soziale Innovativen allen im gesamten Netzwerk zur Verfügung gestellt werden.
  2. Jeder kann sich an der Entwicklung beteiligen und seine Ideen den Gruppen und Gremien zur Verfügung stellen.
  3. Diese Offenlegung ist einen Innovation, die auch die Chance bedeutet, die technologische Abhängigkeit vom "normalen" Markt schneller zu überwinden.
  4. Die Offenlegung führt zur Aufhebung der Konkurrenz der Forscher/innen und Entwickler/innen untereinander. Wie erfolgreich diese Aufhebung der Konkurrenzsituation sein kann, hat die internationale Forschung zum Sars-Virus gezeigt.
  5. Die Offenheit bietet die Chance Forschung und Entwicklung auch für interessierte Laien zu öffnen. Forschung und Entwicklung muss nicht nur im Rahmen einer hauptberuflichen Entwicklung erfolgen! Wie erfolgreich die Zusammenarbeit unterschiedlich formal qualifizierten Personen sein kann, zeigt die OPT-Bewegung.
  6. Die Offenlegung der Arbeitsergebnisse könnte auch zur Entwicklung und Einführung neuer Instrumente in Forschung und Entwicklung führen. So wäre eine demokratische Modifikation des Konzepts der Organisationsentwicklung denkbar. Dies könnte zum Abbau von sozialen Konflikten und Reibungsverlusten führen und auch die formalen Organisationsstrukturen verbessern helfen. Demokratisch bedeutet, dass die Organisationsentwicklung von der Mehrheit der Gruppe oder des Betriebes gewünscht wird und die Aufgabenstellung für die Berater im Konsens formuliert werden kann.
  7. Die OPT-Bewegung hat auch den Erfolg einer virtuellen Organisation bei der Bewältigung komplexer Projekte bewiesen. Dies bedeutet für die transformative Ökonomie, dass dieses Prinzip der immer neuen Gruppenbildung (in einer Netzwerkstruktur) Verwendung finden sollte. Die OPT-Bewegung zeigt außerdem, dass das Team nicht an einem Ort arbeiten muss. Dies ist wichtig für eine transformative Ökonomie, weil Fachwissen und Erfahrung nicht immer an einem Ort gebündelt werde kann.
  8. Die Offenheit hat einerseits für die transformative Ökonomie die Folge Wissen auch für die "normale" Ökonomie kostenlos zur Verfügung stellen. Andererseits könnte bei erfolgreicher Produktentwicklung eine hohe Attraktivität entstehen. Dies könnte auch Personengruppen außerhalb des Netzwerkes zur Mitarbeit motivieren. Vorleben ist die erfolgreichste Missionsstrategie.
  9. Die OPT-Bewegung hat aus wissenschftssoziologischer Sicht zu einer Ablösung der sonst üblichen Community of Science in ihren eigenen Strukturen geführt. Entstanden ist eine offene Gemeinschaft der informiert Nutzenden und der innovativ produzierenden. Die elitären Spielregeln der technologischen Priesterkaste sind durch demokratische Spielregeln einer offenen Gemeinschaft abgelöst worden. Dies bedeutet für die transformative Ökonomie die Chance, dass es nicht unbedingt zur klassischen wissenschaftlich-technischen Elitenbildung kommen muss.

Zusammenfassung

Die transformative Ökonomie ergänzt die bisherige lokale Ökonomie durch vier Prinzipien.

  1. Weitgehende Abkopplung vom Weltmarkt und Aufbau eines eigenständigen Wirtschaftsraumes, neben der "normalen" Ökonomie,
  2. Die bewusste Entscheidung von kleinen Gruppen, Organisationen, Betrieben in einer regionalen, selbstverwalteten Wirtschaftgemeinschaft zu leben und zu arbeiten.
  3. Die Bereitschaft der Mitglieder Einschränkungen in Kauf zu nehmen und die Entwicklung einer demokratischen personalen Ethik und einer spezifischen Organisationethik.
  4. Den Zusammenschluss aller lokalen Gemeinschaften zu einer transregionalen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Absicht einen funktionierenden transformativen Wirtschaftsraum aufzubauen. Das Ziel ist es, durch dieses Modell eine demokratische Willensbildung zu fördern, die eine demokratische Wirtschaftsordnung befürwortet. So lange diese nicht existiert, soll jedem Einzelnen eine Option angeboten werden, die ein anderes Arbeiten und Leben ermöglicht.