Das so genannte "geistige Eigentum" im digitalen Zeitalter

Stephan Eissler [spw-info AT uni-tuebingen.de]

Eine Kritik aus liberaler Perspektive

Wien, im Mai 2004

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Inhaltsübersicht:

0. Vorbemerkungen

1. Einleitung: Über "argumentative Taschenspielertricks" in der Diskussion um so genanntes "geistiges Eigentum"

2. Der Liberalismus als Ausgangspunkt einer Kritik am "geistigen Eigentum" - eine kurze Begründung

3. Ist aufgrund der kapitalistischen Systemlogik eine Entwicklung hin zu einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus möglich?

4. "The Clash of interests" auf dem Weg ins digitale Zeitalter

Literatur

0. Vorbemerkungen

Beim folgenden Text handelt es sich um eine überarbeitete Version meines Vortrags, den ich auf der Oekonux-Konferenz 2004 gehalten habe. Überarbeitet wurde der Vortrag insofern, als ich versucht habe, Fragen, Anregungen aber auch Kritik, die im Anschluss an den Vortrag von verschiedener Seite an mich herangetragen wurde, in den Vortrag einzuarbeiten. In Reaktion auf verschiedene Fragen habe ich insbesondere in Kapitel 3 [IV] versucht, wichtige Aspekte meiner Argumentation in einer abstrakteren, formaleren - und damit allgemeineren - Form darzustellen, als dies bei meinem mündlichen Vortrag möglich gewesen wäre.

1. Einleitung: Über argumentative Taschenspielertricks in der Diskussion um so genanntes "geistiges Eigentum"

Einleiten möchte ich meinen Vortrag mit einer kurzen Passage aus einem Text, auf den ich vor kurzem auf den offiziellen Internetseiten des bundesdeutschen Ministeriums für Bildung und Forschung (http://www.patente.bmbf.de/Remote link) gestoßen bin:

G. Reiner/516 S. Hildebrandt/PTJ-UBV im Januar 2004

Ein Streitgespräch

Wir wollen heute über Patente sprechen. Nach meiner Erfahrung verhält es sich mit Patenten ähnlich wie mit Religion oder mit Politik: Jeder "kann mitreden", auch dann, wenn er wenig darüber weiß. - Wir zwei, Frau Hildebrandt und ich, machen ein Rollenspiel für Sie. Wir versuchen, die Vor-Urteile, die in der Landschaft verbreitet sind, auszusprechen und durch Rede und Gegenrede ein wenig abzubauen. Ich hoffe, die Form des Rollenspiels ist eingängiger als übliche Vorträge und Referate.

(Pro) und (Contra)

(Pro) Patente sind ein durchaus bewährtes Instrument in der wirtschaftlichen Praxis, das der volkswirtschaftlichen Entwicklung dient.

(Contra) Das ist ja gerade umstritten. Patente können dazu führen, dass einzelne Märkte komplett abgeschottet werden und jeglicher Wettbewerb, der ja bekanntlich die Leistungen erhöht, verhindert wird durch die Monopolstellung einzelner Anbieter über Patente.

Lassen Sie uns die Sache der Reihe nach angehen. Wir dürften uns einig sein, Erfindungen sind besondere Leistungen Einzelner. Nun kann man die Leistung Einzelner sicher wegnehmen oder für den Staat konfiszieren; aber wäre das gerecht? Wenn ich Ihnen Ihren selbst gestrickten Pullover wegnähme, um ihn meiner Tochter zu geben, wäre das Diebstahl. Und wenn ich Ihnen Ihr Manuskript wegnehme, um es unter meinem Namen zu veröffentlichen, wäre das geistiger Diebstahl. Warum soll das bei einer Erfindung anders sein. Erfindungen sind Geistiges Eigentum und nicht Allgemeingut. Warum soll ich mein Geistiges Eigentum nicht wie mein materielles Eigentum nutzen können, also selbst über seine Verwendung befinden? [...]

Beim Lesen wird schnell klar, dass dieses Rollenspiel den Normalbürger über die Bedeutung des Patentwesens "aufklären" soll. Das Interessante und Typische an dieser Argumentation war für mich die Art und Weise, mit der hier die pädagogische Binsenweisheit eingesetzt wurde, die da lautet den Zuhörer bzw. Leser dort "abzuholen", wo er sich Stand seines Wissens befindet. Unser Patentanwalt in diesem Rollenspiel kann blind darauf vertrauen, dass der normal sozialisierte Bürger um die vermeintliche "Tatsache" weiß, dass

  1. Erfindungen immer besondere Leistungen Einzelner sind, und
  2. so genanntes "geistiges Eigentum" mit materiellem Eigentum gleichzusetzen ist.

Denn wer würde nicht im Brustton der ehrlichen Überzeugung ein lautes NEIN! rufen, auf die Frage hin, ob es denn sein dürfe, dass ihm jemand einfach seinen selbst gestrickten Pullover wegnimmt?! Und warum sollte für die Software (an der meist länger "gestrickt" wird, als an einem Pullover...) nicht dasselbe gelten? Seit Jahren kann man immer wieder den durchschlagenden Erfolg dieser simplen Analogie erleben. Es ist faszinierend und frustrierend zugleich, zu beobachten, wie Befürworter des Schutzes von "geistigem Eigentum" mit diesem argumentativen Taschenspielertrick in zwei, drei Sätzen mehr beim Zuhörer bewirken, als Kritiker des "geistigen Eigentums" dies in langen Vorträgen mit klug durchdachter Argumentation vermögen.

Bitte lasst mich hier kurz erwähnen, wie ich inzwischen zu reagieren pflege, wenn in einer Diskussion um "geistiges Eigentum" jemand diesen Taschenspielertrick mit dem Pullover anwendet (bei uns Schwaben, ist es gerne auch das "Häusle", das für den Vergleich herhalten muss 1Scroll downwards): Ich weise in diesem Fall einfach darauf hin, dass unsere Zivilisation im allgemeinen und unsere Wirtschaft im besonderen schon einmal einen großen Sprung nach vorne machen konnte, gerade weil es der Gesellschaft gelungen war, sich einer überkommenen eigentumsrechtlichen Institution zu entledigen: Nämlich damals, als es gegen viele Widerstände gelang, das Eigentum an Menschen - die Sklaverei - abzuschaffen.

Wenn ich diesen Einwand bringe, lässt der Protest meist nicht lange auf sich warten: "Ein unmöglicher Vergleich!" wird daraufhin meist empört eingewandt. "Menschen sind doch schließlich keine 'Dinge' - das eine kann man mit dem anderen doch überhaupt nicht vergleichen!" Würde unser Herr Reiner aus dem obigen Rollenspiel in diesem Sinne antworten, so könnte man ihm darauf hinweisen, dass ein Sklavenhalter womöglich mehr Wissen, Arbeit und Geld in die Ausbildung seines Sklaven gesteckt haben mag, als dies bei einem Pullover der Fall ist. Und dennoch wäre ihm recht zu geben: Man kann beides - Pullover und Sklaven - schwerlich miteinander vergleichen. Beides in den gleichen Topf zu werfen (...auf dem 'Eigentum' geschrieben steht...), ist eines aufgeklärten zivilisierten Menschen nicht würdig.

Der Vergleich zwischen Pullovern und Menschen zeigt uns also, dass sich alleine aus der Investition von Wissen, Arbeit und Geld in die Produktion oder Veredelung einer Entität, kein Anspruch auf Eigentumsrechte an dieser Entität herleiten lässt! Vielmehr scheint es

  1. von der jeweiligen Entität und ihren Eigenschaften abzuhängen, ob wir sie für eigentumsfähig halten oder nicht;
  2. so, als sei die Frage der Eigentumsfähigkeit einer Entität im Zuge gesellschaftlicher Entwicklung immer wieder aufs neue legitimationsbedürftig. 2Scroll downwards

Genau darum geht es mir letztlich, wenn ich meinen Gegenüber mit dem Thema "Eigentum am Menschen" konfrontiere: Ihn dafür zu sensibilisieren, dass es sich tatsächlich um nichts anderes als einen argumentativen Taschenspielertrick handelt, wenn einfach behauptet wird, dass eine institutionelle Regelung für Entitäten der Klasse A (hier: 'Wissen & Informationen') sinnvoll sein müsse, weil diese Regelung auch für Entitäten der Klasse B (materielle Güter wie Pullover) sinnvoll ist - ungeachtet der Tatsache, dass beide Klassen von Entitäten völlig unterschiedlicher Natur sind, mit völlig unterschiedlichen Eigenschaften...

Hier nun ist dann meistens der Punkt erreicht, an dem man sich mit seinem Gegegenüber zumindest darauf verständigen kann, dass sich 'Wissen & Information' in wichtigen Punkten tatsächlich von anderen Entitäten unterscheiden:

So handelt es sich bei 'Wissen und Informationen', die als so genanntes "geistiges Eigentum" geschützt werden, insofern um nicht knappe Güter, als es sich bei deren Nutzung um kein Nullsummenspiel handelt, da

Darüber hinaus handelt es sich bei 'Wissen & Informationen' aber auch um eine generative Ressource, da sie sich mit ihrem Gebrauch vermehrt (vgl. dazu Eissler 2004:20).

Im Unterschied dazu handelt es sich bei materiellem Eigentum insofern um knappe Güter, als es sich bei deren Besitz, Nutzung bzw. Konsum um ein Nullsummenspiel handelt, denn in dem Maße wie jemand knappe materielle Güter besitzt, nutzt oder konsumiert, sind andere am Besitz, der Nutzung bzw. dem Konsum dieses Gutes gehindert bzw. davon ausgeschlossen.

2. Der Liberalismus als Ausgangspunkt einer Kritik am "geistigen Eigentum" - eine kurze Begründung

An dem Punkt angekommen, an dem ich mich mit meinem Gegenüber also zumindest darauf verständigen kann, dass es sich bei 'Wissen & Informationen' um Entitäten handelt, die sich in ihren Eigenschaften von materiellen Gütern ganz grundsätzlich unterscheiden, gehe ich dann für den weiteren Verlauf der Diskussion pro & contra "geistiges Eigentum" meist ganz explizit von einer Annahme aus, die ich nun auch diesem Vortrag zugrunde legen möchte. Diese Annahme und ihre Implikationen wird manchen in dieser Runde überraschen - wenn nicht gar befremden: Denn ich gehe davon aus, dass sich der Schutz von (natürlicherweise nicht knappen) Informationen und Wissen als so genanntes "geistiges Eigentum" besonders gut aus der Perspektive liberaler Theorien kritisieren lässt - und zwar mit den selben Argumenten, mit denen liberale Theorien den Schutz von (natürlicherweise knappen) materiellen Gütern rechtfertigt. Die Besonderheit meiner Kritik am so genannten "geistigen Eigentum" ist also die, dass es sich dabei um keine Fundamentalkritik am Eigentum an sich handelt. Vielmehr baut diese Kritik auf der Annahme auf, dass die Rechtfertigung von Eigentum durch liberale Theorien für (natürlicherweise knappe) materielle Güter durchaus sinnvoll und richtig ist.

Damit akzeptiere und anerkenne ich also die Argumente, mit denen liberale Theorien den Schutz eines Pullovers, eines Fahrrads oder anderer natürlicherweise knapper materieller Güter rechtfertigt. Meine Kritik geht

  1. von der Feststellung aus, dass sich knappe materielle Güter von 'Wissen & Information' in ihren Eigenschaften grundsätzlich unterscheiden; und setzt
  2. bei der Frage an, ob es tatsächlich zulässig ist, einfach die Schlussfolgerungen liberaler Argumentationen zur Rechtfertigung von Eigentum an knappen Gütern dazu heranzuziehen, den Schutze von 'Wissen & Information' als so genanntes "geistigem Eigentum" zu rechtfertigen.

Zu suggerieren, dass 2. tatsächlich zulässig sei, ohne dass dies extra begründet werden muss, darauf basiert nun gerade mein eingangs erhobener Vorwurf des "argumentativen Taschenspielertricks". Dass 2. NICHT zulässig ist, sondern vielmehr das Gegenteil der Fall ist, darauf verweist die liberale Kritik am so genannten "geistigen Eigentum", wie ich im Weiteren zumindest an einigen Punkten ansatzweise zeigen möchte. Bevor ich dazu komme, möchte ich allerdings zunächst noch mit einigen Sätzen darauf eingehen, worin aus meiner Sicht der besondere "Charme" einer solchen liberalen Kritik am so genannten "geistigen Eigentum" liegt.

[I] Das traditionelle Lagerdenken aufbrechen

Zum einen halte ich es für wichtig, das überkommene Lagerdenken aufzubrechen, indem es als irreführend entlarvt wird. Denn derzeit ist es leider so, dass sich in der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung die gegensätzlichen Positionen in der Kontroverse um das so genannte "geistige Eigentum" allzu leicht in traditionelle Denkschablonen presst lassen: Demnach ist liberal und marktwirtschaftlich orientiert, wer sich in dieser Kontroverse für den Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" ausspricht; links, systemkritisch und damit tendenziell revolutionär ist hingegen, wer gegen den Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" eintritt.

Warum ist es nun aber wichtig, in der Kontroverse um das so genannte "geistige Eigentum" dieses Lagerdenken aufzubrechen? Kurz gesagt deshalb, weil dieses Lagerdenken die logische und fatale Fortsetzung der "Pullover-Analogie" aus dem Eingangsbeispiel darstellt. Denn bei der Übertragung des traditionellen Lagerdenkens auf die Kontroverse um das so genannte "geistige Eigentum" handelt es sich ebenfalls um eine verkürzte und simplifizierende Analogie, durch die sich die Öffentlichkeit ebenso trefflich vereinnahmen wie täuschen lässt. Mit dieser Übertragung des traditionellen Lagerdenkens werden - bewusst oder unbewusst - auch Assoziationen transportiert, die ich im Folgenden zugegebenermaßen etwas pointiert skizzieren möchte:

Eine solche Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist meiner Meinung nach nicht nur fatal, da sie die Chancen für eine breite öffentliche Akzeptanz einer Kritik am so genannten "geistigen Eigentum" deutlich verschlechtert, sondern auch schlichtweg falsch. Denn gerade aus der Perspektive liberaler Theorien ergeben sich wichtige Hinweise darauf, dass der eigentumsrechtliche Schutz von 'Wissen & Information' im digitalen Zeitalter genau das Gegenteil von dem bewirkt, was dem Liberalismus zufolge das Resultat des eigentumsrechtlichen Schutz von materiellen Gütern ist: Der eigentumsrechtliche Schutz von 'Wissen & Information' verhindert Fortschritt und Wohlstand und stellt eine ernste Gefahr für die bürgerlichen Freiheitsrechte dar. Doch dazu später mehr.

[II] Eine liberale Argumentation als Erklärungsansatz dafür, was mit der Keimformthese gemeint sein könnte

Ein zweiter Punkt, warum ich es für interessant halte, hier vom Standpunkt liberaler Theorie aus zu argumentieren, ist die Annahme, dass sich unsere kapitalistische Gesellschaft gerade aufgrund der Durchsetzung liberaler Grundsätze über die kapitalistische Logik hinausentwickeln kann, um sich zunehmend nach der Logik einer anderen ökonomischen Ressource zu strukturieren und zu organisieren, die ich in diesem Vortrag zunächst nur als 'Wissen & Information' bezeichnen möchte. Anders ausgedrückt: Ich gehe von der Annahme aus, dass eine liberale Argumentation helfen kann zu verstehen, was passiert und auf welche Weise es passiert, wenn wir von der Keimformthese reden. Kann es demnach sein, dass sich das kapitalistische System, das sich nach der Logik von Kapital strukturiert und organisiert, gerade aufgrund der Logik von Kapital über die eigene Systemlogik hinausentwickelt? Dass sich unsere Gesellschaft also aufgrund seiner immanenten kapitalistischen Logik und aufgrund der zunehmenden Durchsetzung liberaler Grundsätze hin zu einer Wissensgesellschaft entwickelt, die sich nicht mehr primär nach der Logik von Kapital, sondern primär nach der Logik von 'Wissen & Information' strukturiert und organisiert?

[III] Exkurs: Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus

Bevor ich Ihnen die These auseinandersetze, wonach sich der Kapitalismus aufgrund seiner systemimmanenten Logik über eben diese, seine eigene Systemlogik, hinausentwickeln könnte, möchte ich zunächst am Beispiel früherer Entwicklungen skizzieren, was damit gemeint ist - und zwar am Beispiel des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus: Die zentrale Ressource des Feudalismus war 'Grund & Boden'; die Eigenschaften und die der Ressource 'Grund & Boden' innewohnende Logik bestimmten im wesentlichen

Der ein oder andere mag hier nun einwenden, dass damit die Verhältnisse im Feudalismus zu sehr vereinfacht würden; der eine oder andere wird mich beispielsweise fragen wollen, welche Rolle denn dann beispielsweise das kapitalistische Unternehmertum im Feudalismus gespielt hat, das es ja ganz zweifellos in dieser Epoche gab. Nun, zum einen geht es mir hier nur darum, auf den - meiner Meinung nach - wesentlichen Kern feudaler Gesellschaften hinzuweisen. Was die kapitalistischen Unternehmer im Feudalismus anbelangt, so möchte ich ihre Stellung und Rolle innerhalb feudaler Gesellschaften mit der der "Wissensarbeiter" innerhalb kapitalistischer Gesellschaften vergleichen: Obwohl sie eine wichtige Rolle innerhalb und für das jeweilige gesellschaftliche System spiel(t)en, so muss dennoch das Verhältnis sowohl der kapitalistischen Unternehmer im Feudalismus wie auch der Wissensarbeiter im Kapitalismus insofern als prekär bezeichnet werden, als ihre Tätigkeit jeweils Rahmenbedingungen erfordert(e), die in einem latenten Spannungsverhältnis zur herrschenden gesellschaftlichen Systemlogik standen bzw. stehen. Auch wenn Wissenschaft und Forschung für die kapitalistische Gesellschaft schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat, so wird doch niemand bestreiten wollen, dass es ungeachtet dessen im wesentlichen die Logik der Ressource Kapital ist, die für die kapitalistische Gesellschaft insgesamt strukturdominant ist. Auf ganz ähnliche Weise lässt sich meiner Meinung nach auch die Stellung kapitalistischer Unternehmer innerhalb feudaler Gesellschaften charakterisieren.

Doch zurück zur Annahme, der Feudalismus habe sich aufgrund der eigenen Systemlogik über ebendiese Logik hinausentwickelt: Kurz gesagt wurde die Ressource Kapital im Feudalismus gerade aufgrund der feudalen Systemlogik (die sich primär an der Ressource 'Grund & Boden' orientierte) für die feudale Herrschaftselite immer wichtiger, da die Fähigkeit zur effektiven und effizienten Nutzung der Ressource Kapital in immer stärkerem Maße über Ausdehnung oder Verlust territorialer Herrschaft entschied. 4Scroll downwards Der militärisch ausgetragene Konkurrenzkampf um Kontrolle über 'Grund & Boden' war damit ein entscheidender Motor der Entstehung moderner kapitalistisch geprägter Nationalstaaten sowie des Aufstiegs des Bürgertums als der neuen gesellschaftlichen Trägergruppe - Entwicklungen, die sich in Form tief greifender gesellschaftlicher Umwälzungen ihre Bahn brachen, in deren Zuge es zur Durchsetzung bürgerlicher Interessen und damit einhergehend zur zunehmenden Strukturdominanz der Ressource Kapital kam, an deren Logik sich Produktion und Reproduktion von Gesellschaft nun primär zu orientieren hatte. Im Laufe dieses, über einen langen Zeitraum andauernden Interessenkonflikts zwischen Adel/feudalen Grundbesitzern einerseits und dem Bürgertum/kapitalistischen Unternehmern andererseits, artikulierten und legitimierten sich die Interessen und Positionen des aufstrebenden Bürgertums durch den Liberalismus und seinen politischen und ökonomischen Theorien.

3. Ist aufgrund der kapitalistischen Systemlogik eine Entwicklung hin zu einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus möglich?

Nach diesem Exkurs komme ich nun zurück zur Ausgangsthese, wonach es dem Kapitalismus innewohnende Entwicklungslogiken gibt, die grundsätzlich über diesen hinausweisen. Wie ich im Folgenden zeigen möchte, ist der Prozess fortgesetzter Liberalisierung der entscheidende Motor dieser Entwicklungslogik:

[I] Die Bedeutung von Innovationen für Unternehmen in liberalen Märkten

Ausgangspunkt meiner weiteren Argumentation ist zunächst wirtschaftliche Liberalisierung - die Liberalisierung von Märkten. Denn die zunehmende Liberalisierung der Gütermärkte führt zu einer Intensivierung des Wettbewerbs und damit zum Absinken der Kapitalrendite. Gleichzeitig steigt aber durch die Liberalisierung der Finanzmärkte der Druck auf Unternehmen, im Wettbewerb um Kapital eine möglichst hohe Kapitalrendite zu erwirtschaften. Diesem Dilemma begegnen Unternehmen durch zwei Strategien:

Hier wird bereits deutlich, darauf möchte ich an dieser Stelle kurz hinweisen, dass ein zentrales Argument der Verfechter des Patentwesens unzutreffend ist: Ohne Patentschutz, so wird immer wieder behauptet, gäbe es keine Anreize für Unternehmen, innovativ tätig zu sein. Tatsächlich aber wird hier deutlich, dass Wettbewerb Unternehmen dazu zwingt, innovativ zu sein! Je intensiver der Wettbewerb auf (Güter- und Finanz-)Märkten, desto wichtiger wird die Fähigkeit und die Bereitschaft innovativ zu sein für das Überleben von Unternehmen. Doch nun zurück:

[II] Innovationen verbessern die Rahmenbedingungen für die Erzeugung von Innovationen

Diese eben beschriebene Bedeutung von (Prozess- und Produkt-) Innovation für das Überleben von Unternehmen in liberalisierten Märkten führt also zu immer neuen Innovationen, wobei manche Innovationen ihrerseits die Bedingungen für die Entstehung von Innovationen verbessern. Die Rahmenbedingungen für die Entstehung von Innovationen werden vor allem verbessert durch

[III] Zunehmende Bedeutung von (neuem) Wissen bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust klassischer Kapitalgüter

Die Folge von [I] und [II] ist eine zunehmende Beschleunigung der Innovationsrate. Daraus resultiert in letzter Konsequenz wiederum zweierlei:

  1. ...als entscheidende Voraussetzung für die Erzielung einer Kapitalrendite in liberalisierten Märkten, da neues Wissen konstitutiv ist für das Hervorbringen von Innovationen; 6Scroll downwards
  2. ...zur Bewältigung der Nebenfolgen von Innovationen;

Schaubild: Der Zusammenhang zwischen Marktliberalisierung & der zunehmenden Bedeutung von Innovation

Entlang dieser drei Schritte [I] bis [III] habe ich nun also kurz skizziert, warum durch die Liberalisierung der Märkte und aufgrund der Logik des kapitalistischen Systems - Wissen (vor allem neues Wissen - aber auch insgesamt die Wissensarbeit, die z.B. auch die Vermittlung von Wissen beinhaltet) immer wichtiger wird, und warum dadurch wiederum klassische Kapitalgüter immer mehr an Bedeutung verlieren. Inwiefern kann aber nun von der grundsätzlichen Möglichkeit ausgegangen werden, dass diese, dem Kapitalismus unter der Bedingung zunehmender Liberalisierung innewohnende Entwicklungsdynamik, über eine kapitalistische Systemlogik hinaus tragen kann?

[IV] Unterschiedliche institutionelle Voraussetzungen für einen effizienten, effektiven und nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen Kapital <=> 'Wissen & Information'

Ausgangspunkt meiner weiteren Argumentation ist nun die Annahme, die sich aus liberalen ökonomischen Theorien herleiten lässt, wonach

  1. der Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft von der Effektivität und Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen abhängt;
    wobei unter den Bedingungen liberalisierter Märkte
  2. die relative Effizienz und Effektivität einer Wirtschaftseinheit (eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft) im Umgang mit knappen Ressourcen letztlich in der Höhe der Kapitalrendite zum Ausdruck kommt, die diese Wirtschaftseinheit erwirtschaft.

Da wir nun aber oben bereits festgestellt haben, dass auf liberalisierten Märkten die Sicherung oder gar Steigerung der Kapitalrendite ganz wesentlich von (Prozess-/Produkt-)Innovationen abhängt, für die wiederum neues Wissen konstitutiv ist, kann man nun folgendes sagen:

(A) Wohlstand und Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft hängen ganz wesentlich von ihrer Fähigkeit ab, solches neues Wissen (nW) zu generieren, das für die Entwicklung von Innovationen (I) notwendig ist, mit denen die Produktivität und Rentabilität bei der Nutzung von Kapital (K) gesteigert (K(Rend>0)) werden kann. 8Scroll downwards

(B) Ob nun eine Gesellschaft dieses neue Wissen (nW=>(I=>K(Rend>0))) tatsächlich generiert, hängt wiederum davon ab, ob die entscheidenden Informationen (Inf), die für die Generierung dieses neuen Wissens notwendig sind, zu denjenigen Personen gelangen, die über das notwendige Ausgangswissen (AW) verfügen, das sie unter Verwendung dieser Informationen zur Erzeugung des neuen Wissens befähigt. 9Scroll downwards

(C) Damit hängt der Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft ganz wesentlich von

  1. der Effizienz,
  2. der Effektivität und
  3. der Nachhaltigkeit der Allokation 10Scroll downwards derjenigen Informationen (Inf) ab, für die gilt
    (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend>0)))

  1. Die Effektivität der Allokation misst sich an der Wahrscheinlichkeit, mit der in einem bestimmten Zeitraum die Information (Inf) auf das entsprechende Wissen (AW) trifft, wodurch dann das Ereignis (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend>0))) ermöglicht wird.
  2. Aussagen über die Effizienz der Allokation von (Inf) lassen sich in einer ersten Annäherung herleiten aus dem Verhältnis zwischen
    1. dem volkswirtschaftlichen Nutzen der sich aus dem Ereignis
      (Inf /\ AW)=>(nW=>(I)) in Form einer Rendite (Rend) ergibt, die aus dem eingesetzten Kapital (K) erwirtschaftet werden kann, und
    2. den volkswirtschaftlichen Kosten, die insgesamt für die Realisierung dieses Ereignisses anfallen (der Einfachheit halber beschränken wir die Kosten hier auf die Höhe des Kapitaleinsatzes (K)). 11Scroll downwards
  3. Die Nachhaltigkeit des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend > 0))) hängt v.a. davon ab, wie sich dieses Ereignis zum Zeitpunkt t=0 auf zukünftige Ereignisse
    (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend > 0))) auswirkt.
    Dabei ist das Ereignis (Inf /\ AW(t=0))=>(nW(t=1)=>(I=>K(Rend>0))) um so nachhaltiger
    1. je größer das Potential des bei diesem Ereignis entstandenen neuen Wissens nW(t=1) ist, um seinerseits als Ausgangswissen (nW(t=1)=AW(t=2)) dienen, und durch die Verarbeitung von Informationen solches neues Wissen (nW(t=3)) generieren zu können, durch das seinerseits wieder Innovationen generiert werden können, die zu einer zukünftigen Steigerung der Kapitalrendite beitragen können; 12Scroll downwards
    2. je größer das Potential der Innovation (I(t=x+1)) ist, um ihrerseits dazu beitragen zu können, dass folgender zukünftige Zusammenhang gewährleistet wird:
      (AW(t=x+2) /\ Inf)=>nW(t=x+3)=AW(t=x+4) wobei gilt, dass nW(t=x+y)=>(I(t=x+y+1)=>K(Rend>0)) | x>=1 und y>=3
      Dieser Zusammenhang kann durch eine Innovation (I(t=x+1)) dann gewährleistet werden,
      1. wenn es sich bei der Innovation um eine neue Information ((I(t=x+1))=*Inf) handelt, die zur Generierung von neuem Wissen (nW(t=x+y)) beitragen kann, für das gilt
        (AW(t=x+2) /\ *Inf)=>nW(t=x+3)=AW(t=x+4) wobei nW(t=x+y)=>(I=>K(Rend>0)) | x>=1 und y>=3.
      2. wenn es sich bei der Innovation (I(t=x+1)) um eine Prozess- oder Produktinnovation handelt, durch die die Effektivität und Effizienz der zukünftigen Allokation von Informationen (vgl. 1. und 2.) verbessert werden kann.

Zu Punkt [IV] (C) 1.: Die institutionellen Voraussetzungen für eine effektive Allokation von Informationen im Vergleich zur effektiven Allokation knapper Güter

Kommen wir nun zurück zu der obigen Feststellung, wonach Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft ganz wesentlich von der Effektivität der Allokation derjenigen Informationen (Inf) abhängt, für die gilt

(Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend>0)))

Dabei habe ich angedeutet, dass sich die Effektivität der Allokation an der Wahrscheinlichkeit misst, mit der in einem bestimmten Zeitraum die Information (Inf) auf das entsprechende Wissen (AW) trifft, und damit das Ereignis Inf+AW=>nW stattfindet.

Im Rahmen dieses Vortrags möchte ich mich nun darauf beschränken zu zeigen, dass die Institutionen des Marktes und des Eigentums aus den gleichen Gründen, aus denen sie liberalen Theorien zufolge für natürlicherweise knappe Güter eine hohe allokative Effektivität ermöglichen, für eine effektive Allokation von natürlicherweise nicht knappen Informationen gänzlich ungeeignet sind:

(A) Kommen wir dabei zunächst zu der Frage, wie liberalen ökonomischen Theorien zufolge Märkte für eine effektive Allokation knapper Gütern sorgen. Ausgangspunkt ist dabei die Einsicht, dass Informationen die Voraussetzung dafür sind, um Entscheidungen darüber treffen zu können, wo welche knappe Ressource eingesetzt werden sollte, damit aus ihr der größtmögliche volkswirtschaftliche Nutzen resultieren kann. Liberale ökonomische Theorien gehen nun davon aus, dass es durch zentrale Planung nicht möglich ist, zeitnah die unermessliche Fülle notwendiger Informationen zu erheben und zu verarbeiten, die notwendig wären, um eine optimale Allokation knapper Ressourcen zu gewährleisten 13Scroll downwards. Vielmehr könnten die für eine effektive Allokation knapper Güter relevanten Informationen nur dezentral gewonnen und verarbeitet werden: Indem auf Märkten ermittelt wird, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt das Gleichgewicht zwischen dem Angebot eines knappen Gutes und Nachfrage nach diesem Gut liegt. Ausdruck findet dieses Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im so genannten Marktpreis. Damit liefern also Preise die entscheidenden Informationen für die optimale Allokation knapper Güter über Märkte. 14Scroll downwards

Nun stellt sich uns allerdings die Frage, ob das was liberalen ökonomischen Theorien zufolge für natürlicherweise knappe Güter gilt, auch für Informationen gilt. Das entscheidende Problem ist hier meiner Meinung nach, dass der eigentumsrechtliche Schutz einer Information eine künstliche Verknappung dieser Information darstellt. Denn erst durch diese künstliche Verknappung sind Informationen überhaupt als Waren über Märkte handelbar. Daraus resultiert allerdings ein Informationsdilemma beim Tausch von Informationsprodukten über Märkte, das im Folgenden beschrieben werden soll:

  1. Preise von (natürlicherweise nicht knappen) Informationsprodukten spiegeln keine natürliche Knappheit, sondern eine willkürlich gesetzte Knappheit wieder; daher können Preise im Falle von Informationsprodukten keine sinnvollen Informationen über die Knappheit oder den Nutzen eines Informationsproduktes in Relation zu anderen (knappen) Gütern liefern.
  2. Ob ein Informationsprodukt für den potentiellen Kunden einen Nutzen hat und wie groß dieser Nutzen ist (wovon ja bei einem rationalen Akteur die Kaufentscheidung abhängen sollte, wie die liberale ökonomische Theorie fordert) kann der potentielle Kunde erst durch den Konsum des Informationsproduktes mit ausreichender Sicherheit feststellen - dies würde jedoch den anschließenden Kauf des Informationsproduktes in den meisten Fällen erübrigen.

Dies sind erste wichtige Hinweise dafür, dass das, was liberalen ökonomischen Theorien zufolge für knappe materielle Güter gilt, für 'Wissen & Information' eben nicht gelten kann: Märkte, auf denen 'Wissen & Information' als Waren gehandelt werden, ermöglichen eben gerade keine effektive Allokation dieser Ressource.

(B) Liberale ökonomische Theorien gehen davon aus, dass die effektivste Allokation knapper Güter unter der Bedingung vollständiger Konkurrenz 15Scroll downwards erfolgen würde. Daher stellt sich nun die Frage, wie nahe Märkte für künstlich verknappte Informationsprodukte dem Modell eines "idealen Marktes" unter vollständiger Konkurrenz kommen:

  1. Bedingung: Polypol
    Ein Markt unter vollständiger Konkurrenz setzt voraus, dass bei einem Produkt viele Anbieter auf viele Nachfrager treffen. Dies ist bei Märkten für Informationsprodukte zwingend nicht der Fall, da durch Institutionen zum Schutz so genannten "geistigen Eigentums" die Verfügungsrechte an einem bestimmten Informationsprodukt immer exklusiv einem bestimmten Eigentümer zugesichert werden - ein Eigentumstitel an einem Informationsprodukt entspricht daher einem staatlich zugesicherten Monopol .
  2. Bedingung: Homogenität der Güter
    Weiterhin wird nach liberaler ökonomischer Theorie gefordert, dass auf einem "idealen" Markt möglichst homogene bzw. leicht vergleichbare Waren miteinander konkurrieren. Auf Märkten für Informationsprodukte konkurrieren nie homogene oder einfach vergleichbare Produkte miteinander. Dieser Umstand, dass ausschließlich voneinander verschiedene Informationsprodukte miteinander konkurrieren, wiegt wegen des oben unter (A) beschriebenen Informationsdilemmas umso schwerer.
  3. Bedingung: Markttransparenz
    Aufgrund des oben beschriebenen Informationsdilemmas kann auch ausgeschlossen werden, dass alle Marktteilnehmer jederzeit und vollständig über alle relevanten Informationen verfügen können, die sie idealerweise einer Kaufentscheidung zugrunde legen müssten.
  4. Bedingung: Die Präferenzlosigkeit der Marktteilnehmer
    Dieser Forderung liegt der Gedanke zugrunde, dass wirkliche Konkurrenz nur dann gegeben ist, wenn keine persönlichen Vorlieben oder Abneigungen zwischen den Marktteilnehmern bestehen, da Wettbewerb sonst durch irrationale Faktoren unterlaufen würde. In diesem Zusammenhang rückt vor allem der Markenschutz in den Blickpunkt. Die ökonomische Rechtfertigung des Markenschutzes zielt vor allem auf die Verringerung von Informationskosten auf Seiten der Nachfrager ab 16Scroll downwards. Andererseits kann gesagt werden, dass mit dem Markenrecht eine Institution zum Schutz so genannten "geistigen Eigentums" massiv dazu beiträgt, dass Wettbewerb unterlaufen werden kann, indem durch diverse Maßnahmen zur "Imagepflege" von Marken auf einer weitgehend irrationalen Ebene Einfluss auf die persönlichen Präferenzen von Nachfragern genommen wird (...Bedürfnisse geschaffen werden) und dadurch rationale Entscheidungskriterien in den Hintergrund gedrängt werden 17Scroll downwards. Diese wettbewerbsverzerrende Rolle des Markenrechts betrifft natürlich alle Märkte; allerdings gibt es Grund zu der Annahme, dass aufgrund des oben beschriebenen Informationsdilemmas auf Märkten künstlich verknappter Informationsprodukte - also aufgrund des weitgehenden Fehlens von Informationen, die eine rationale Entscheidungsfindung ermöglichen würden - Nachfrager stärker bereit sind, irrationale Informationen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen.
  5. Bedingung: Rationales Verhalten aller Marktteilnehmer
    Aus dem bisherigen kann daher geschlossen werden, dass gerade auf Märkten künstlich verknappter Informationsgüter die Rahmenbedingungen äußerst schlecht sind, um allen Marktteilnehmern rationales Verhalten zu ermöglichen.

Fassen wir zusammen: Märkte für künstlich verknappte Informationsprodukte weichen nicht nur vom Ideal eines Marktes unter vollständiger Konkurrenz ab (wie dies wohl bei allen real existierenden Märkten für knappe Güter mehr oder weniger der Fall ist), vielmehr negieren Märkte für künstlich verknappte Informationsprodukte fast alle Bedingungen, die liberalen ökonomischen Theorien zufolge für einen idealen Markt und damit für ein Optimum an allokativer Effektivität notwendig wären. Berücksichtigt man dazu noch das oben beschriebene Informationsdilemma beim Tausch von künstlich verknappten Informationen über Märkte, so ist der Schluss zwingend, dass aus der Perspektive liberaler ökonomischer Theorien die Allokation künstlich verknappter Informationen über Märkte weniger effektiv sein muss, als dies ohne eine künstliche Verknappung von Informationen durch die Institution des so genannten "geistigen Eigentums" der Fall wäre.

Damit konnte also gezeigt werden, dass "Markt" und "Eigentum" als institutioneller Rahmen für die Allokation der Ressource 'Wissen & Information' lediglich eine suboptimale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nur ein suboptimales Wohlstandsniveau ermöglichen, da sie die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Information (Inf) auf das entscheidende Wissen (AW) trifft, und somit das Ereignis

stattfindet.

Zu Punkt [IV] C 2.: Die institutionellen Voraussetzungen für eine effiziente Allokation von Informationen im Vergleich zur effizienten Allokation knapper Güter

Kommen wir nun zu der obigen Feststellung, wonach Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft ganz wesentlich von der Effizienz der Allokation derjenigen Informationen (Inf) abhängt, für die gilt

In diesem Zusammenhang habe ich bereits angedeutet, dass sich Aussagen über die Effizienz der Allokation von Inf in einer ersten Annäherung herleiten lassen aus dem Verhältnis zwischen

(A) dem volkswirtschaftlichen Nutzen der sich aus dem Ereignis (Inf /\ AW)=>(nW=>(I)) in Form einer Rendite (Rend) ergibt, die durch (I) aus dem eingesetzten Kapital (K) erwirtschaftet werden kann, und

(B) den volkswirtschaftlichen Kosten, die insgesamt für die Realisierung dieses Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) anfallen.

(A) Kommen wir zunächst zu der Frage, wie sich die Institution des so genannten "geistigen Eigentums" auf den volkswirtschaftlichen Nutzen des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) auswirkt:

Der volkswirtschaftliche Nutzen von (Inf /\ AW) ergibt sich aus der Innovation (I), die aus diesem Ereignis resultiert (wobei es sich bei der Innovation sowohl um eine Information als auch um eine (Prozess-/Produkt-)Innovation handeln kann). Damit interessiert uns hier also, wie sich der eigentumsrechtliche Schutz einer Innovation (I) auf den volkswirtschaftlichen Nutzen von (I) auswirkt. Bei der Klärung dieser Frage ist die Tatsache von Bedeutung, dass der eigentumsrechtliche Schutz einer Innovation (I) ein staatlich gewährtes Monopol darstellt. Auf der Grundlage liberaler ökonomischer Theorien lässt sich nun ganz allgemein sagen, "dass das Monopol zu einer unter Wohlfahrtsgesichtspunkten suboptimalen Unterversorgung des Marktes führt" (Feess 1997:332), denn das "Problem in einem monopolisierten Markt liegt darin begründet, dass die Unternehmung eine Gütermenge produziert und verkauft, die unter der Menge liegt, die für das volkswirtschaftliche Maximum von Wohlfahrt und Gesamtrenten erforderlich ist" (Mankiw 2001:354). Der volkswirtschaftliche Nutzen des Ereignisses (Inf /\ AW) verringert sich durch die Institution des so genannten "geistigen Eigentums" also deshalb, weil dadurch das Ergebnis von (Inf /\ AW) - also die Innovation (I) - in geringerem Umfang zur Anwendung kommt (und damit in geringerem Umfang renditesteigernd wirksam werden kann) als dies ohne den eigentumsrechtlichen Schutz von (I) der Fall wäre. 18Scroll downwards

Auf diese Problematik möchte ich kurz am Beispiel des patentrechtlichen Schutzes einer (Produkt-/Prozess-)Innovation eingehen. Durch das Patentrecht kommt es aus folgenden Gründen zum Ausschluss potentieller Anwender von der Nutzung der Innovation (I):

  1. können Inhaber von Patenten Dritte an der Nutzung ihrer Patente hindern, wenn sie befürchten müssen, dass ihnen aufgrund der Anwendung der Innovation durch Dritte Nachteile entstehen.
  2. sind aber selbst dann, wenn Patentinhaber die Nutzung ihrer patentierten Innovation gegen die Zahlung einer Lizenzgebühr erlauben, immer noch all jene von der Nutzung dieser Innovation ausgeschlossen, die sich die Zahlung hoher Lizenzgebühren nicht leisten können.

Warum verringert nun dieser Ausschluss potentieller Anwender das wohlstands-steigernde Potential dieser Innovation? Kurz gesagt deshalb, weil sich hierdurch die Wahrscheinlichkeit verringert, dass die Innovation (I) tatsächlich wohlfahrtsmaximierend zur Anwendung kommt. 19Scroll downwards Besonders offensichtlich wird dies bei Innovationen im Bereich so genannter Cluster-Technologien. Denn um im Bereich von Cluster-Technologien innovativ (und damit wohlstandssteigernd) tätig sein zu können, ist man auf die Möglichkeit der Nutzung einer ganzen Reihe anderer (patentierter) Innovationen angewiesen.

Da es sich

  1. bei der Anmeldung,
  2. der Verwaltung, vor allem aber
  3. bei der Verteidigung/ Durchsetzung von Patenten gegenüber Dritten und
  4. bei der Nutzung der Patente Dritter 20Scroll downwards

um z.T. sehr kostspielige Unterfangen handelt, erwächst aus der Institution des Patentrechts ein erheblicher Wettbewerbsvorteil für kapitalstarke Großunternehmen gegenüber kapitalschwächeren KMUs und unternehmerisch tätigen Einzelpersonen. Aufgrund von 3. und 4. stellt die Institution des Patentrechts besonders im Bereich so genannter Cluster-Technologien ein kaum zu überschätzender struktureller Wettbewerbsvorteil für kapitalstarke Großunternehmen gegenüber den oft wesentlich innovativeren Kleinunternehmen und Freelancern dar. Da es sich gerade bei "Zukunfts- bzw. Schlüsselbranchen" wie der Biotechnologie und IKT um solche Clustertechnologien handelt, wird durch das Patentrecht in diesen besonders wichtigen Bereichen ein Konzentrationsprozess sowie der Ausschluss potentieller Innovatoren gefördert.

(B) Kommen wir nun zu der Frage, wie sich die Institution des so genannten geistigen Eigentums auf die volkswirtschaftlichen Kosten auswirkt, die bei der Realisierung des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) anfallen:

Im Folgenden soll nun kurz angedeutet werden, warum sich die Kosten, die bei der Realisierung des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) anfallen, durch die Institution des so genannten "geistigen Eigentums" aufgrund (1) der gesellschaftlichen Kosten, die zu einer effektiven Durchsetzung der Institution notwendig sind, (2) der höheren Suchkosten, (3) der höheren Preise, die für den Zugang bzw. die Nutzung von Informationen und Innovationen entrichtet werden müssen sowie (4) der erhöhten Rechtsunsicherheit erhöhen.

(1) Ein effektiver Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" ist in vielerlei Hinsicht ungleich schwieriger, aufwändiger und folgenreicher, als der Schutz von Eigentum an knappen materiellen Gütern:

  1. So ist es häufig schwierig, überhaupt zu klären, ob eine Verletzung geistiger Eigentumsrechte vorliegt (u.a. daraus resultiert die unter Punkt (4) angedeutete Rechtsunsicherheit).
  2. Aufgrund des globalen Mediums Internet und aufgrund der Digitalisierung können Eigentumsdelikte im Bereich des sog. "geistigen Eigentums" nur schwer unterbunden werden, denn wenn irgendwo auf der Welt eine Raubkopie in Umlauf kommt, ist dies im Zeitalter des Internets mit einer globalen Verbreitung der Raubkopie gleichzusetzen.

Wie ich in Eissler (2004: Kap. 3.2.5) zu zeigen versuche, entstünde durch die Implementierung eines wirklich effektiven Schutzregimes auf der Grundlage des globalen digitalen Mediums Internet erstens direkt und indirekt enorme finanzielle Kosten, darüber hinaus würde dies aber auch - zweitens - zu einer fundamentalen Gefährdung bürgerlicher Freiheitsrechte führen.

(2) Des Weiteren erhöhen sich aufgrund des oben beschriebenen Informationsdilemmas, das aufgrund des eigentumsrechtlichen Schutzes von Informationen entsteht, die Kosten erheblich, die bei der Suche nach Informationen anfallen.

(3) Aufgrund des Monopols, über das der "Eigentümer" einer Information oder Innovation verfügt, müssen Dritte für den Zugang zur Information bzw. für die Nutzung der Innovation höhere Preis zahlen, als dies ohne den eigentumsrechtlichen Schutz der Information bzw. Innovation der Fall wäre. Die Differenz zwischen dem Preis, der ohne den eigentumsrechtlichen Schutz bezahlt werden müsste, und dem Preis, der aufgrund des eigentumsrechtlichen Schutzes bezahlt werden muss, stellen zusätzliche Kosten dar.

(4) Nicht zuletzt verursacht die Rechtsunsicherheit, die für wirtschaftliche Akteure erst durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" entsteht, erhebliche Kosten. 21Scroll downwards

Fassen wir erneut zusammen: Es lässt sich also zum einen zeigen, dass durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" der volkswirtschaftliche Nutzen, der aus dem Ereignis (Inf /\ AW) resultiert, deutlich geringer ausfällt, als dies ohne diese Institution der Fall wäre. Gleichzeitig fallen gerade durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" höhere Kosten bei der Realisierung des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) an, als dies ohne diese Institution der Fall wäre. Damit verringert sich also durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" die Effizienz, mit der das Ereignis (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) realisiert werden kann. Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass sich durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" die Höhe der Kapitalrendite verringert, die durch das Ereignis (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) erwirtschaftet werden kann.

[V] Die Schlussfolgerung in kritischer Orientierung an der Neuen Insititutionenökonomik von Douglass North

Douglass C. North (1992) versucht mit seinem institutionenökonomischen Ansatz zu zeigen, dass sich im evolutionären Prozess gesellschaftlicher Entwicklung langfristig diejenigen Gesellschaftssysteme erfolgreich durchsetzen konnten, die zu einer relativ hohen Effizienz und Effektivität im Umgang mit knappen Ressourcen fähig waren, da sich dies in einer vergleichsweise höheren Leistungsfähigkeit und einem höheren Wohlsandsniveau niederschlug. Damit führt North die erfolgreiche Durchsetzung der modernen kapitalistischen Wirtschaftsweise und den damit einhergehenden Aufstieg des Nationalstaats westlicher Prägung im wesentlichen auf die Durchsetzung der Institution des Eigentums (bzw. dessen Ausdifferenzierung in Verfügungsrechte) zurück, da auf der Grundlage von Eigentum überlegene Anreizstrukturen, sowie eine effiziente und effektive Ressourcen-Allokation möglich wären. 22Scroll downwards

Nun konnte jedoch unter Punkt [IV] zweierlei gezeigt werden:

  1. Wenn der Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft von der Effektivität und Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen abhängt, und wenn auf liberalisierten Märkten die relative Effizienz und Effektivität im Umgang mit knappen Ressourcen in der Höhe der erwirtschafteten Kapitalrendite zum Ausdruck kommt, dann hängt der Wohlstand und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft ganz wesentlich von ihrer Fähigkeit ab, solches neues Wissen zu generieren, das für die Entwicklung von Innovationen notwendig ist, mit denen die Produktivität und Rentabilität bei der Nutzung von Kapital gesteigert werden kann. 23Scroll downwards
    Gemäß des Grundarguments von North hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und gesellschaftlicher Entwicklung könnte man daher sagen, dass sich langfristig wohl diejenigen Gesellschaftsformen als die ökonomisch leistungsfähigeren durchsetzen, die ein hohes Maß an allokativer Effektivität und Effizienz im Umgang mit der Ressource 'Wissen & Information' ermöglichen.
  2. Allerdings konnte oben zweitens gezeigt werden, dass
    1. die Allokation künstlich verknappter Informationen über Märkte weniger effektiv sein muss, als dies ohne eine künstliche Verknappung von Informationen durch die Institution des so genannten "geistigen Eigentums" der Fall wäre, und
    2. sich aufgrund der geringeren allokativen Effizienz durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" die Höhe der Kapitalrendite verringert, die durch das Ereignis (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend))) erwirtschaftet werden kann.

    Damit ermöglichen "Markt" / "Eigentum" als institutioneller Rahmen für die Allokation der Ressource 'Wissen & Information' lediglich eine suboptimale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nur ein suboptimales Wohlstandsniveau.

Damit ist es also nicht die künstliche Verknappung der Ressource 'Wissen & Information' durch die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum", die ein Optimum an allokativer Effektivität und Effizienz ermöglicht, sondern vielmehr

  1. die stetige Optimierung der institutionellen Rahmenbedingungen mit dem Ziel, eine maximale Zugänglichkeit zu Informationen (Inf) zu gewährleisten, sowie
  2. das Streben nach einem möglichst hohen Bildungs- bzw. Qualifikationsniveaus in der Gesellschaft, um so (AW) qualitativ und quantitativ zu maximieren. 24Scroll downwards

Die historische Evidenz eines Zusammenhangs zwischen den Punkten 1.+2. einerseits und gesellschaftlichem Fortschritt andererseits ist meiner Meinung nach kaum zu übersehen. Dies bedeutet jedoch,

  1. dass die institutionellen Rahmenbedingungen grundverschieden sind, die für die knappe/endliche Ressource 'Grund & Boden' sowie die knappe Ressource Kapital einerseits, und die nicht knappe/generative Ressource 'Wissen & Information' andererseits notwendig sind, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und damit ihr Wohlstandniveau zu maximieren;
  2. [da der effektive und effiziente Umgang mit der Ressource Kapital zwar eine notwendige Bedingung, der effektive und effiziente Umgang mit der Ressource 'Wissen & Information' jedoch die hinreichende Bedingung für die Generierung von Wirtschaftswachstum darstellt, bedeutet dies jedoch auch zweitens] dass die Orientierung an der Logik und den Eigenschaften der Ressource 'Wissen & Information' letztentscheidend für die Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft sein sollte.

4. "The Clash of interests" auf dem Weg ins digitale Zeitalter

[I] Eine geringe Varietät gleichzeitig möglicher Entwicklungspfade auf dem Weg ins digitale Zeitalter

Damit habe ich nun auf der Grundlage einer liberalen Argumentation in groben Zügen dargelegt, warum ich denke, dass bereits im Kapitalismus der "Keim" einer Wissensgesellschaft angelegt ist. Jedoch muss ich an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass ich damit keinesfalls einem Determinismus das Wort reden möchte! Im Rahmen dieses Vortrags muss ich mich dabei auf den Hinweis beschränken, dass ich die weitere Entwicklung für völlig offen halte: So wie aus dem Industriezeitalter eine ganze Reihe unterschiedlicher Gesellschaftsformen hervorgingen (der westliche Kapitalismus in seiner angelsächsischen und "rheinischen" Ausprägung, aber auch Agrarkapitalismus und zentrale Planwirtschaft), so sind auch im "digitalen Zeitalter" ein breites Spektrum unterschiedlicher Gesellschaftsformen denkbar - je nach dem, welche Interessen und Akteure sich bei der sozioökonomischen Gestaltung des digitalen Zeitalters durchsetzen werden. Setzen sich die Interessen politischer Machtapparate durch? Die Interessen großer kapitalstarker Konzerne? Oder aber die Interessen so genannter "Wissensarbeiter"? 25Scroll downwards Sicher jedenfalls ist, dass es zum Teil erhebliche Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Akteursgruppen gibt, wenn es um die Gestaltung des anbrechenden digitalen Zeitalters geht. Und anders als zu Beginn des Industriezeitalters sind heute der Varietät gleichzeitig realisierbarer Entwicklungspfade relativ enge Grenzen gesetzt, da

  1. es sich beim Internet um ein globales Medium handelt, und
  2. die Volkswirtschaften in einen globalen institutionellen Rahmen eingebettet sind - hier denke ich beispielsweise an das TRIPs 26Scroll downwards-Abkommen, zu dessen Umsetzung sich alle WTO-Mitglieder verpflichtet haben.

Egal also, welche Interessen sich langfristig in der sozioökonomischen Ausgestaltung des digitalen Zeitalters durchsetzen werden, die Konsequenzen werden alle zu tragen haben! Welche Konsequenzen dies sein könnten, kann ich nun aus Zeitgründen lediglich anhand der Interessen der derzeit wohl einflussreichsten Akteursgruppe skizzieren - den kapitalstarken global agierenden Wirtschaftsunternehmen.

[II] Welche Folgen hätte die einseitige Durchsetzung der Interessen kapitalstarker, global agierender Wirtschaftsunternehmen für die gesellschaftliche Entwicklung im digitalen Zeitalter?

Wirtschaftsunternehmen sehen sich im globalen Wettbewerb um das Kapital der Finanzmärkte dazu gezwungen, eine relativ höhere Produktivität und eine relativ höhere Kapitalrendite zu erwirtschaften, als ihre Konkurrenten. Da, wie wir in Kapitel 3 anhand der Punkte [I]-[III] gesehen haben, die Ressource 'Wissen & Information' zunehmend zum entscheidenden Produktionsfaktor avanciert, mit dem Produktivität und Kapitalrendite gesichert bzw. gesteigert werden kann, ist die Kontrolle über die Ressource 'Wissen & Information' der strategische Schlüssel der Unternehmen, um das Überleben im globalen Wettbewerb zu sichern. Die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" stellt nun diesbezüglich ein besonders effektives Kontrollinstrument dar 27Scroll downwards, das um so interessanter für ein Unternehmen, je größer und kapitalstärker es ist (da die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" ein struktureller Wettbewerbsvorteil für kapitalstarke Großunternehmen gegenüber den oft wesentlich innovativeren und flexibleren Kleinunternehmen und Freelancern darstellt - s.o.).

Wenn aber andererseits, wie wir festgestellt haben, die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" insgesamt nur eine suboptimale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ermöglicht, dann lässt sich sagen, dass nur ein bestimmter Kreis gesellschaftlicher Akteure 28Scroll downwards von der Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" profitiert, während der Allgemeinheit dadurch Wohlstandschancen entgehen.

Würden sich also die Interessen kapitalstarker Großunternehmen bei der gesellschaftlichen Entwicklung im digitalen Zeitalter durchsetzen, so ließe dies Folgendes erwarten:

  1. Geltungsanspruch und Reichweite des Schutzes von so genanntem "geistigen Eigentum" würde weiter ausgedehnt 29Scroll downwards;
  2. Da kapitalstarke Unternehmen gegenüber KMUs (aber auch insgesamt die hochentwickelten gegenüber unterentwickelten Volkswirtschaften) aus der Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" ein struktureller Wettbewerbsvorteil erwächst, würde sich insgesamt der Konzentrationsprozess zugunsten kapitalstarker Großunternehmen und zugunsten einiger weniger hochentwickelter Volkswirtschaften 30Scroll downwards weiter beschleunigen; die daraus resultierenden Kosten hätte die Allgemeinheit zu tragen.
  3. Diese zunehmende Konzentration der Kontrolle über die Ressource 'Wissen & Information' impliziert eine zunehmende (und demokratisch nicht legitimierte) Machtkonzentration in den Händen der Eigentümer der Ressource 'Wissen & Information', da vermittels dieser Ressource Kontrolle über Dritte ausgeübt bzw. die Ressource 'Wissen & Information' als strategische Waffe zur Durchsetzung eigener Interessen einsetzt werden kann. 31Scroll downwards

[III] Schlussbemerkungen

Mit anderen Worten wird durch die Befürworter des eigentumsrechtlichen Schutzes von 'Wissen & Information' einer Entwicklung das Wort geredet, gegen die sich bereits seit Jahrhunderten die Kritik großer liberaler Denker richtet, deren liberale Überzeugungen sich vehement gegen staatlich gewährte Monopolprivilegien (um nichts anderes handelt es sich bei so genanntem "geistigen Eigentum") und gegen die Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht zulasten der allgemeinen Wohlfahrt und zulasten individueller Freiheit richtete. Dass sich die Befürworter von "geistigem Eigentum" in ihrer Argumentation ungeachtet dessen auf das liberale Erbe berufen, ist zwar erfolgreich, wie wir zu Beginn des Vortrags gesehen haben, nichts desto trotz zeugt es bestenfalls von mangelnder Durchdringung der Materie.

Wer allen Ernstes glauben machen möchte, man könne in einer Argumentation knappe materielle Güter - wie beispielsweise Pullover - einfach durch nicht knappe/generative Entitäten wie Wissen und Informationen ersetzen, ohne dass dies am Ergebnis des Arguments etwas ändern würde, der redet Entwicklungstendenzen das Wort, die uns auf dem Weg ins digitale Zeitalter Stück für Stück einer Plutokratie näher bringen - keinesfalls aber einer im besten Sinne des Wortes liberalen Gesellschaft. Was dem entgegengehalten werden kann, ja entgegengehalten werden muss ist das, was man wohl als Nukleus unserer modernen Zivilisation und als Grundanliegen sowohl liberaler wie auch linker Denker bezeichnen kann: Aufklärung.

Aufgrund meiner liberalen Grundüberzeugungen halte ich "Wettbewerb" für einen wichtigen Motor des Fortschritts. Und gerade Aufklärung gedieh schon immer dort am besten, wo sie sich im Geiste eines freien "Wettstreits" der Argumente entwickeln konnte. Dieser Geist hat im Oekonux-Netzwerk eine sichere Heimstatt, weshalb ich mich besonders freue, auch dieses Jahr hier dabei sein zu dürfen. Und auch wenn ich hier nur einen kleinen Ausschnitt einer liberalen Kritik an der Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" vortragen konnte, so würde es mich doch freuen, wenn es mir in gleichem Maße gelungen sein sollte, anderen Teilnehmern Anregungen und neue Perspektiven zu eröffnen, wie sie mir selbst durch Vorträge und Diskussionen hier zuteil wurden.

Literatur

Brodbeck, Karl-Heinz (2000): Zur Theorie der Internet-Ökonomie. In: praxis-perspektiven Band 4 (2000), S. 47-59

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Eissler, Stephan (2004b): Max Webers 'Protestantische Ethik' und die so genannte 'Hacker-Ethik' - ein Vergleich. Tübingen im August 2004

Feess, Eberhard (1997): Mikroökonomie. Metropolis Verlag, Marburg

Frein, Michael (2002): Die Globalisierung von Rechten an geistigem Eigentum und der Nord-Süd-Konflikt. In: PROKLA Heft 126 - 31. Jg 2002, S. 103-125

Gröndahl, Boris (2002): Die Tragedy of the anticommons. Kapitalistische Eigentumskritik im Patentwesen. In: PROKLA 126 - Wissen und Eigentum im digitalen Zeitalter, S. 89-102

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Heeg, Thiemo (2003) Starke Marken müssen auf den Bauch zielen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung; 02.11.2003, S. 40

Mankiw, N. Gregory (2001): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart

North, Douglass C. (1992): Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung. Mohr/Siebeck, Tübingen

Nuss, Sabine (2002): Download ist Diebstahl? Eigentum in einer digitalen Welt. In: PROKLA 126 - Wissen und Eigentum im digitalen Zeitalter, S. 11-35

Rifkin, Jeremy (2000): Access - Das Verschwinden des Eigentums. Campus, Frankfurt a.M.

Siebel, Walter/Ibert, Oliver/Mayer, Hans-Norbert 2001: Staatliche Organisation von Innovation: Die Planung des Unplanbaren unter widrigen Umständen durch einen unbegabten Akteur. In: Leviatan 29. Jg., Heft 4 (Dzember), S. 526 - 543

Shapiro, Carl (2001): Navigating the Patent Thicket: Cross Licenses, Patent Pools, and Standard-Setting. Im Internet unter: http://haas.berkeley.edu/~shapiro/thicket.pdfRemote link

Sietmann, Richard (2001): Wettbewerb im Gerichtssaal. Der Kampf ums geistige Eigentum treibt das Patentwesen in die Zerreißprobe. Im Internet unter: http://www.heise.de/ct/01/17/170/default.shtmlRemote link

Thompson, William R./ Rasler, Karen (1999): War, the Military Revolution(s) Controversy, and Army Expansion. A test of two explanations of historical influences on european state making. In: Comparative Political Studies, Vol. 32, No.1, February 1999, S. 3-31

Weber, Max (1909): Agrarverhältnisse im Altertum. In: (Conrad J. v. u.a.) Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Bd.1, S. 52-188

Weede, Erich (1990): Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Mohr/Siebeck, Tübingen


1Scroll upwards Nachtrag: Auf spiegel-online zog Gerd Gebhardt (Vorsitzender der deutschen Phonoverbände) jüngst das Fahrrad für diesen "Taschenspielertrick" zur Verteidigung des derzeit geltenden Urheberrechts heran: "So wie niemand gegen seinen Willen gezwungen werden kann, sein Fahrrad zu verkaufen, entscheiden auch Musiker und Musikfirmen darüber, ob, von wem und zu welchen Bedingungen ihre Musik genutzt wird" (http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,316837,00.htmlRemote link).

2Scroll upwards Denn so selbstverständlich es uns heute auch erscheinen mag, so sollte dennoch nicht vergessen werden, dass es einer großen aufklärerischen Anstrengung bedurfte, bis sich die Einsicht, dass Menschen keine eigentumsfähige Entitäten sind, gegen die wirtschaftlichen Interessen, die sich mit dem Sklavenhandel und der Sklavenhaltung verbanden, allgemein durchgesetzt hatte. Die Geschichte lehrt uns also misstrauisch zu sein, wenn uns jemand erzählt, es sei sinnvoll und gut, bestimmte Dinge als Eigentum zu schützen - auch dann misstrauisch zu sein, wenn wir Eigentum für eine grundsätzlich sinnvolle Institution halten!

3Scroll upwards Feudalismus umfasst nach Max Weber (1909:53) ganz allgemein "alle jene sozialen Institutionen, welchen die Herausdifferenzierung einer für den Krieg oder den Königsdienst lebenden Herrenschicht und ihre Sustentation durch privilegierten Landbesitz, Renten oder Fonden der abhängigen waffenlosen Bevölkerung zugrunde liegt." Das grundlegende Kriterium, nach dem sich feudale Gesellschaften strukturieren, ist also 'Grund & Boden': Ob und inwiefern jemand Land besitzt entscheidet darüber, ob und inwiefern jemand über andere herrscht oder von anderen beherrscht wird; dies entscheidet darüber, welche Rechte, Privilegien und Pflichten jemand in der feudalen Gesellschaft hat. Der Zweck, der laut Weber diesem grundlegenden Strukturprinzip zugrunde lag, ist demnach die Herausdifferenzierung und Reproduktion einer Gesellschaftsschicht, die die Verteidigung (und wo möglich: die Ausdehnung) des Territoriums der feudalen Gesellschaft sicherstellt.

4Scroll upwards Diese systemimmanente Entwicklungsdynamik des Feudalismus deuten Thompson/Rasler (1999:6ff) wie folgt an: "The costs of artillery and fielding infantry in battles favored states with the resources to pay for them. By the large, this meant that large and centralized states were most favoured to win. Yet, becoming more competitive internationally also implied [...] that the extent of national territory could be expanded even further. More tax revenues meant more and better artillery and armies in a self-reinforcing cycle."

5Scroll upwards Die (oft nur temporäre) Alleinstellung eines Produktes / einer Geschäftsidee auf dem Markt aufgrund erfolgreicher Innovation ermöglicht es dem Unternehmen ein Monopolgewinn zu erzielen, der über dem erzielbaren Gewinn unter Konkurrenzbedingungen liegt. Vgl. dazu Mankiw (2001:346ff).

6Scroll upwards Die zunehmende Bedeutung von (neuem) Wissen als Produktionsfaktor bedeutet aber auch eine zunehmende Bedeutung der Zugangsmöglichkeit zu Informationen (als dem "Rohstoff" für die Generierung/Diffusion von neuem Wissen).

7Scroll upwards "'Eigentum' und 'akkumulieren' waren über lange Zeit hinweg sorgsam gehegte und gepflegte Lebenskonzepte. Nun jedoch überholen die rasante technische Innovation und die aktuelle ökonomische Aktivität mit ihrem schwindelerregenden Tempo alle Vorstellungen, die wir an Eigentum geknüpft haben. [...] In einer Ökonomie, deren einzige Konstante der Wandel ist, macht es wenig Sinn, bleibende Werte anzuhäufen" (Rifkin 2000:13).

8Scroll upwards Diejenigen Innovationen, durch die die Effizienz und Effektivität der Nutzung von Kapital erhöht werden kann, werden im Weiteren abgekürzt als I=>K(Rend>0). Dasjenige neue Wissen, das Voraussetzung ist für eine bestimmte Innovation, mit der die Effizienz und Effektivität bei der Nutzung der Ressource Kapital gesteigert werden kann, bezeichne ich im weiteren abgekürzt als nW=>(I=>K(Rend>0))

9Scroll upwards Nur dann, wenn die entscheidenden Informationen (im weiteren abgekürzt als Inf) zu den Personen mit dem notwendigen Ausgangswissen AW gelangen (wenn also gilt: (AW /\ Inf)), kann dasjenige neue Wissen entstehen, das Voraussetzung für die Generierung einer Innovation ist, durch die die Effizienz und Effektivität der Nutzung von Kapital erhöht werden kann. Dieser Zusammenhang wird im Weiteren abgekürzt dargestellt als (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend>0))).

10Scroll upwards Eine Allokation ist dann am effektivsten, wenn sie zu einem Pareto-Optimum führt (das Pareto-Optimum entspricht einem Zustand maximaler Wohlfahrt, in dem durch eine Umverteilung - also einer Änderung der Allokation - kein Wirtschaftssubjekt besser gestellt werden könnte, ohne dass ein anderes dadurch schlechter gestellt wird). Der Grad der Effektivität einer Allokation misst sich also daran wie nahe die Allokation dem Pareto-Optimum kommt; erst bei der Effizienz einer Allokation geht es dann um die Frage, welcher Ressourceneinsatz für die Ermöglichung und Durchführung dieser Allokation notwendig ist. Da die Höhe des Ressourcenaufwands, der für die Ermöglichung/Durchführung einer Allokation aufgewandt werden muss, unmittelbare Auswirkung auf das durch die Allokation erreichbare Wohlfahrtsniveau hat, besteht ein innerer Zusammenhang zwischen allokativer Effektivität und Effizienz. Während die Mikroökonomik für natürlicherweise knappe Güter und Ressourcen unter gegebenen Rahmenbedingungen zumindest theoretisch das Tausch- sowie Produktionsoptimum und damit das Pareto-Optimum ermitteln kann, ist dies bei der Allokation von (Inf) nicht möglich. Denn Effektivität und Effizienz ergeben hier aus den Ergebnissen der Allokation: der Innovation (I). Ex ante besteht hier das Problem, dass es sich bei Innovationen um etwas qualitativ Neues handelt, von dem vorher noch nicht gewusst werden kann, was es ist und welchen Nutzen es hat. Ex post besteht das Problem darin, dass es sich nicht ermitteln lässt, ob die Kombination von (Inf) mit einem anderen Ausgangs-wissen (AW) nicht effektiver gewesen wäre (in dem Sinne, dass die daraus resultierende Innovation eine höhere Kapitalrendite ermöglichen würde). Dem wird hier im folgenden Rechnung getragen, indem (1) zwar nur eine sehr vage Bestimmung der allokativen Effektivität vorgeschlagen wird, diese Effektivität jedoch (2) in einem inneren Zusammenhang mit der Effizienz und Nachhaltigkeit der Allokation von (Inf) verstanden werden muss. Im Folgenden wird dieses Konzept einer nachhaltigen Allokation von (Inf) kurz vorgestellt; im Rahmen dieses Vortrags kann dann jedoch nicht weiter darauf eingegangen werden.

11Scroll upwards Die Effizienz des Ereignisses (Inf /\ AW)=>(nW=>(I) ergibt sich also aus (K+K(Rend))/K <=> K(1+Rend)/K <=> (1+Rend)

12Scroll upwards Dieser Zusammenhang soll im Weiteren wie folgt dargestellt werden (AW(t=0) /\ Inf)=>nW(t=1)=AW(t=2) wobei gleichzeitig gilt, dass nW(t=x)=>(I(t=x+1)=>K(Rend>0)) | x>=1.

13Scroll upwards Anzumerken wäre hierzu noch, dass zentrale Planung als Mittel zur Allokation der Ressource 'Wissen & Information' noch weit ungeeigneter sein muss, als dies liberalen Theorien zufolge schon für die Allokation natürlicherweise knapper Güter der Fall ist. Denn bei der Allokation von 'Wissen & Information' mit dem Ziel, Innovationen zu generieren, ist das Informationsdefizit zentraler Planungsinstanzen noch weit ausgeprägter, als dies bei der Allokation von natürlicherweise knappen Gütern der Fall ist. Dies liegt im Wesen von Innovationen, begründet, wie ich anhand des folgenden Zitats von Siebel u.a. verdeutlichen möchte: "Was das Problem war, das in einem kreativen Akt gelöst wurde, weiß man erst im Nachhinein. Also weiß man erst im Nachhinein, was man zu Anfang hätte wissen müssen. [...] Planung im Sinne zielverwirklichenden Handelns widerspricht der Logik der Innovation. Wären Innovationen als Ziele formulierbar, d.h. könnten ihre Eigenschaften spezifiziert und ihre Folgeprobleme schon prognostiziert werden, so wären es keine Innovationen im Sinne des qualitativ Neuen. Das eigentliche Ziel innovationsorientierter Planung stellt sich erst am Ende des Prozesses heraus" (Siebel u.a.; 2001:530ff). Bedenkt man nun, dass Planung das wichtigste Mittel ist, das Organisationen zur Verfügung steht, um die Allokation von Informationen mit dem Ziel (Inf /\ AW)=>(nW=>(I=>K(Rend>0))) zu realisieren, dann wird deutlich, dass die Entwicklung die in Kap. 3.2 [I]-[III] skizziert wurde, für Unternehmen recht prekär ist. Dies spiegelt sich auch durchaus in der neueren Literatur der Organisationssoziologie und Innovationsforschung wieder.

14Scroll upwards Dies lässt sich nach dem liberalen Ökonomen Walras verkürzt so beschreiben: "Die Preisbildung kann man als einen Prozess der Informationssuche und Informationsverarbeitung beschreiben. [...] Preise sind gewissermaßen der soziale Ausdruck der Knappheit von Gütern in Beziehung zu allen anderen Gütern und den Kaufwünschen (bzw. "Nutzen"). Preisänderungen funktionieren daher als Knappheitssignale" (Brodbeck 2000).

15Scroll upwards Bei der "vollständigen Konkurrenz" handelt es sich zwar um eine in der Realität nie anzutreffende Idealvorstellung, ihr kommt jedoch als vereinfachte theoretische Beschreibung der Anpassungsmechanismen und Effizienzeigenschaften einer marktwirtschaftlichen Ordnung eine herausragende Bedeutung in der Argumentation liberaler ökonomischer Theorien zu. Als "vollständige Konkurrenz" bezeichnet man eine Kombination aus (a) Polypol (quantitatives Merkmal) und (b) vollkommenem Markt (qualitatives Merkmal): a) Polypol bezeichnet einen Markt, auf dem viele Nachfrager auf viele Anbieter treffen; b) Ein "vollkommener Markt" als idealtypisches Konstrukt zeichnet sich vor allem durch folgende fünf Eigenschaften aus: (1) Homogenität der Güter; d.h. die Güter sind vollkommen gleichartig; (2) Präferenzlosigkeit der Marktteilnehmer, d.h. es existieren keine persönlichen Vorlieben oder Abneigungen zwischen den Marktteilnehmern; (3) Markttranzparenz, d.h. alle Marktteilnehmer sind jederzeit und vollständig über alle relevanten Daten informiert; (4) Rationalitätsannahmen d.h. alle Marktteilnehmer verhalten sich rational; (5) Punktförmigkeit des Marktes, d.h. der Markt ist räumlich und zeitlich konzentriert; Anpassungsprozesse vollziehen sich sofort und verursachen keine Kosten.

16Scroll upwards So heißt es beim Markenverband in Wiesbaden: "Der Markenartikel ist ein Produkt, das eine stets gleich bleibende oder verbesserte Qualität und Ausstattung bietet" (Heeg 2003).

17Scroll upwards Dies bringt Heeg (2003) wie folgt auf den Punkt: "Starke Marken müssen auf den Bauch zielen - Vergesst den Verstand. Ohne Gefühle kein Markenerfolg." Demnach sind Marken "immaterielle Angebote, mit denen sich in erster Linie Wünsche und Träume verbinden" (ebd.). Inwiefern der Einsatz von "Marken" in der Werbung gerade auf das Verhindern rationaler Kaufentscheidungen beim Konsumenten abzielt, wurde in der Frühzeit der Werbung ebenso unverholen wie optimistisch so umschrieben: "Wenn sie auf Dauer im Geschäft bleiben wollen, dann bedenken Sie, was es für Ihre Firma für Gewinn bedeuten kann, wenn Sie millionenfach Kinder abrichten können, aus denen Erwachsene werden, gedrillt, ihre Produkte zu kaufen, wie Soldaten gedrillt sind, sich in Bewegung zu setzen, wenn sie die Kommandoworte, Vorwärts, marsch! hören" (Clyde R. Miller, zitiert in Hamann 2004). Darüber hinaus weist beispielsweise Gröndahl (2002:89) darauf hin, dass "Warenzeicheninhaber sie [die Marken:S.E.] nicht mehr nur als Waffe gegen Konkurrenten, sondern auch als Instrument der corporate censorship [benutzen]: gegen unverwünschte Kritik an Geschäfts- oder Produktionspraktiken."

18Scroll upwards Dies bezeichnet Shapiro (2001:6) als 'tragedy of the anti-commons': "The tragedy of the anti-commons arises when there are multiple gatekeepers, each of whom must grant permission before a resource can be used. With such excessive property rights, the resource is likely to be under-used. In the case of patents, innovation is stifled."

19Scroll upwards Je geringer die Anzahl der potentiellen Anwender ist, die die Innovation I(1) nutzen können, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass I(1) auf dasjenige Ausgangswissen (AW) trifft, das dazu in der Lage ist, mit Hilfe von I(1) die wohlstandsmaximierende Innovation I(2) zu entwickeln. Anders gesagt: Durch die Patentierung von I(1) verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Ereignis (I(1) /\ AW)=>(I(2)=>K(Rend>0)) diejenige Innovation (I(2)) entwickelt wird, die im Vergleich zu anderen möglichen I(2) eine maximale Wohlfahrtssteigerung ermöglicht.

20Scroll upwards Zu den Punkten 3. und 4. vgl. Sietmann (2001)

21Scroll upwards Vgl. dazu beispielsweise Sietmann (2001)

22Scroll upwards Sabine Nuss (2002:15) fasst Norths These wie folgt zusammen: "Die Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums seit der steinzeitlichen Revolution, seit dem Übergang zur Agrarwirtschaft und seit der modernen industriellen Revolution erklärte er mit einer Theorie der Verfügungs- und Eigentumsrechte, wobei die Kernthese seiner historischen Untersuchung lautet, dass Länder, deren Staaten gesicherte Eigentumsrechte durchsetzen konnten und können, eine effizientere Wirtschaftsleistung generieren als Länder, die über wenig oder keine gesicherten Eigentumsrechte verfügen." Vgl. dazu auch zusammenfassend Weede (1990:40ff)

23Scroll upwards Dies würde bedeuten, dass sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kapital und anderen natürlicherweise knappen Ressourcen (wie in der klassischen und neoklassischen ökonomischen Theorie üblich) lediglich notwendige Bedingungen für wachstumorientiertes effizientes und effektives Wirtschaften formulieren lassen, während erst die Auseinandersetzung mit der Ressource 'Wissen & Information' hinreichende Bedingungen hierfür liefern kann. Eine solche Auseinandersetzung mit der Ressource 'Wissen & Information' beinhaltet bspw. Fragen wie sie unter Punkt [IV] kurz angeschnitten wurden - also Fragen nach einem effektiven, effizienten und nachhaltigen Umgang mit dieser Ressource.

24Scroll upwards In Eissler(2004) versuche ich zu zeigen, dass die Institution zum Schutz von so genanntem "geistigen Eigentum" der quantitativen und qualitativen Maximierung von (AW) entgegenwirkt.

25Scroll upwards Vgl. dazu Eissler (2004b)

26Scroll upwards TRIPs steht als Akronym für "Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights"

27Scroll upwards Die Bedeutung als Kontrollinstrument wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die "Eigentümer" von Wissen (durch das Patentrecht) bzw. von Informationen (durch das Urheber- und Markenrecht) dazu befugt werden zu bestimmen, (a) wer unter welchen Bedingungen Zugang zu der Ressource erhält, bzw. (b) wer diese Ressource auf welche Weise nutzen darf.

28Scroll upwards Neben kapitalstarken Großunternehmen sind vor allem die schnell wachsende Berufsgruppe der Patentanwälte die wichtigsten Profiteure dieser Institution.

29Scroll upwards Dieser Trend zeichnet sich derzeit schon im Bereich des Patentrechts ab: 1. wird die Erfindungshöhe sukzessive herabgesetzt, indem beispielsweise zunehmend sogar Geschäftsideen patentierbar werden; 2. findet eine schleichende Erweiterung der Patentierungsmöglichkeit über Erfindungen hinaus auf Entdeckungen statt - die Patentierung einzelner Gensequenzen wäre hier eines der jüngsten Beispiele (diese wurden nicht "erfunden", sondern nur entdeckt) - mit der Patentierung von Gensequenzen werden meist auch Eigentumsansprüche auf zukünftig aus der Gensequenz abgeleiteten Erkenntnissen (bspw. medizinische Therapiemöglichkeiten) angemeldet.

30Scroll upwards Zur Verschärfung der Kluft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern durch das globale Patentregime vgl. u.a. Frein (2002)

31Scroll upwards Auch dieser Trend zeichnet sich derzeit schon in besorgniserregender Weise unter anderem in der Agrarwirtschaft ab. In Bezug auf die Kontrolle zukünftiger Nahrungsressourcen weist bspw. Frein (2002:116) darauf hin, "dass Patente oder andere Rechte an geistigem Eigentum für alle oder doch für erhebliche Teile der für menschliche Ernährung wichtigen Pflanzen existieren; vereinfacht ausgedrückt heißt dies, dass sie de facto das Eigentum privater Agro-Konzerne sind."